Chefarzt Dr. Med. Axel Skuballa im Interview

März 01, 2018
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Die Trichterbrust – ein Fall für die Thoraxchirurgie 

Obwohl die Trichterbrust die am häufigsten vorkommende Fehlbildung des menschlichen Brustkorbs ist, ist sie eine sehr seltene Erkrankung. Das überregionale Behandlungszentrum der Klinik für Thoraxchirurgie am Klinikum St. Georg behandelt Betroffene, die unter der Verkrümmung des Brustkorbs psychisch oder körperlich leiden.

Herr Dr. Skuballa, wie viele Kinder und Jugendliche leiden in Deutschland an einer Trichterbrust?

Bei der Trichterbrust handelt es sich um ein sehr spezielles und seltenes Krankheitsbild. Auf 300 bis 400 Kinder hat nur ein Kind eine Trichterbrust. Die Kielbrust ist noch seltener. Auf sechs Trichterbrustpatienten kommt ein Patient mit Kielbrust. In Mitteleuropa sind sogar nur ein bis zwei Prozent der Bevölkerung von dieser Verformung des Brustkorbs betroffen.

Wie kommt diese Art der Verformung zustande?

Das Brustbein bildet sich aus mehreren einzelnen Knorpelkernen. Stoffwechselstörungen führen zu einem unregelmäßigen Knorpelwachstum in Verbindung mit einem verstärkten Wachstum des Rippenknorpels. Diese Konditionen und Veränderungen an den Knorpelverbindungen zwischen Brustbein und Rippen lassen das Brustbein einsinken. Meist tritt diese Wachstumsstörung schon beim Embryo oder Fötus auf. Bei einem Säugling und bei Kleinkindern ist eine Trichterbrust aufgrund des Babyspecks häufig schwerer zu erkennen. Die meisten wirklich deutlich sichtbaren Trichterbrüste entstehen in der Regel erst in der Hauptwachstumsphase zwischen 14 und 18 Jahren. Das ist auch das zu empfehlende Alter für eine Operation – vor Ende der Knochenwachstumsphase.

Welche Konsequenz hat eine Trichterbrust für den Betroffenen?

Eine Trichterbrust bringt entweder psychische und/oder körperliche Beeinträchtigungen mit sich. Betroffene Kinder ziehen sich meist zurück, weil sie sich für ihre Verformung schämen und sich diese Fehlbildung negativ auf ihr Selbstwertgefühl auswirkt. Beispielsweise meiden Kinder dann Schwimmbadbesuche. Diese psychische Belastung kann bis hin zu einer psychischen Störung führen. Dabei sind Jungen von einer Trichterbrust wesentlich häufiger betroffen als Mädchen. Bei 40 Prozent der Patienten findet sich eine familiäre Häufung, sodass bei diesen Patienten von einer genetischen Disposition auszugehen ist. Von den Betroffenen leiden etwa 75-80 Prozent an einer psychischen Beeinträchtigung und nur 20 Prozent haben körperliche Einschränkungen. Dazu zählen unter anderem die eingeschränkte Belastungsfähigkeit, Herzrhythmusstörungen oder eine eingeschränkte Lungenfunktion.

Wie kann eine Trichterbrust behandelt werden?

Die meisten Kinder haben eine schwach entwickelte Brust- und Rumpfmuskulatur, die durch Physiotherapie gestärkt werden kann. Durch diese Behandlungsmethode fühlt sich der Patient nicht nur besser, sondern dem Fortschreiten der Verkrümmung wird durch den Muskelau au entgegengewirkt. Seit ca. 70 Jahren gibt es die konservative Methode der Saugglocke. Diese wird auf den Brustkorb gesetzt und hebt durch einen Unterdruck den Brustkorb an. Diese Saugglocke muss mehrere Stunden oder über Nacht getragen werden. Sie kann eine Trichterbrust aber nicht vollständig beheben, da die Verformung durch eine Trichterbrust nicht aufzuhalten ist. Daher entscheiden sich viele Betroffene aus psychischen oder kosmetischen Gründen für eine Operation.

Wie sieht ein chirurgischer Eingriff aus?

Wenn jemand unter einer asymmetrischen Trichterbrust leidet – dabei befindet sich der tiefste Punkt rechts oder links neben dem meist in der Achse verschobenem Brustbein – kommt nur die konventionelle Methode nach Ravitch in Frage. Bei diesem Verfahren wird der Brustkorb bei Männern durch einen mehrere Zentimeter langen vertikalen oder bei Frauen durch einen horizontalen Schnitt unterhalb der Brust geöffnet. Die deformierten Rippen werden anschließend vom Brustbein abgetrennt und der Knorpel an diesen entfernt. Das Brustbein wird angehoben und lagekorrigiert sowie mit einem zusätzlichen Metallbügel fixiert. Bei diesem zwischen vier und sechs Stunden langen Eingriff entsteht eine größere Wundfläche, wodurch sich der Heilungsprozess verlängert.

Bei symmetrischen Trichtern wird ein minimal-invasives Verfahren nach der Nuss-Methode angewendet. Die Methode stammt von einem amerikanischen Kinderchirurgen, der diese Methode 1987 als erster anwandte. Hier wird über zwei kleine Schnitte, die kosmetisch nicht stören, an der seitlichen Brustwand unter Kontrolle einer Videokamera ein im Vorfeld an den Patienten angepasster, vorgebogener Metallbügel unter dem Trichter platziert und seitlich auf den Rippen abgestützt. Je nach Situation können 1-2 Bügel implantiert werden. Dieser Eingriff ist wesentlich kürzer und dauert in der Regel nur 45 Minuten bis eineinhalb Stunden. Das ermöglicht eine zügigere Wundheilung und der Patient kann nach einem Mindestaufenthalt in Abhängigkeit seines Zustandes nach acht Tagen das Krankenhaus wieder verlassen. Nach etwa zwei Jahren werden die Metallbügel wieder entfernt, ohne dass es zur erneuten Trichterbildung kommt.

Wie schnell verläuft der Heilungsprozess?

Die ersten drei bis vier Wochen nach der Operation soll sich der Patient schonen und auskurieren. Das ist die Zeit, in der sich der Körper und die Knochen an die Umformung gewöhnt haben. Nach vier Wochen ist der Patient in der Regel vollkommen schmerzfrei, die Wundheilung abgeschlossen und die Kräfte im Körper haben sich neutralisiert. Dann beginnt der Patient mit einer Physiotherapie zur Muskelstärkung. Nach circa sechs Wochen kann der Patient wieder seinen normalen Aktivitäten nachgehen.

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