Wenn die Hormone verrücktspielen
Klein und unscheinbar, aber bedeutend für den Organismus: Im vorderen Halsbereich unterhalb des Kehlkopfes gelegen, produziert die etwa walnussgroße Schilddrüse lebenswichtige Hormone. Durch die zwei Lappen, die über eine Brücke miteinander verbunden sind, erinnert ihre Form an einen Schmetterling.
Eine gesunde Schilddrüse wiegt durchschnittlich rund 18 Gramm bei Frauen und 25 Gramm bei Männern. Das im Lateinischen „Glandula thyreoidea“ genannte Organ erzeugt die Hormone Trijodthyronin und Thyroxin. Diese Botenstoffe regulieren den gesamten Stoffwechsel des Menschen. Davon abhängig sind zum Beispiel der Sauerstoff- und Energieverbrauch, die Körperwärme sowie der Mineralstoff- und Wasserhaushalt. Auch Persönlichkeit und seelisches Wohlbefinden werden durch die Schilddrüsenhormone beeinflusst. Zwei Zentren im Gehirn steuern die Tätigkeit der Drüse: der Hypothalamus (ein Teil des Zwischenhirns) und die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse).
>>> Um diese wichtigen Funktionen erfüllen zu können, benötigt die Schilddrüse Eiweiß und Jod. Da der Körper kein eigenes Jod produziert, muss es über die Nahrung zugeführt werden. Der tägliche Bedarf eines Erwachsenen liegt bei 200 Mikrogramm. Wertvolle Lieferanten sind beispielsweise Fisch und jodiertes Speisesalz.
Erhält die Schilddrüse auf Dauer zu wenig Jod, vergrößert sie sich. Der Mediziner spricht von Struma oder Kropf. In dem vergrößerten Gewebe bilden sich oft Knoten. Größere Kröpfe üben Druck auf die Speise- und Luftröhre sowie die Blutgefäße aus. Die Patienten leiden unter Schluckbeschwerden, Luftnot und einem Beklemmungsgefühl. Doch nicht nur die Größe des Organs spielt eine Rolle, sondern vor allem die Funktion. Produziert die Schilddrüse weniger Hormone, besteht eine Unterfunktion (Hypothyreose). Diese kann angeboren sein sowie durch eine Operation der Schilddrüse oder durch eine Autoimmunerkrankung (Hashimoto-Thyreoiditis) entstehen. „Bei einer Hypothyreose verlangsamen sich das Denken und die Bewegungen der Betroffenen. Die Patienten haben eine trockene Haut und klagen über Müdigkeit“, erklärt Dr. Jürgen Krug, der als Chefarzt seit 2006 das Fachgebiet Endokrinologie (Lehre von den Hormonen) am Klinikum St. Georg leitet.
Häufiger tritt allerdings die Überfunktion (Hyperthyreose) auf. Dabei produziert die Schilddrüse mehr Hormone als der Körper benötigt. „Anzeichen sind Unruhe, Schlafstörungen, Gewichtsabnahme und starkes Schwitzen“, so Dr. Jürgen Krug. 40 Prozent der Überfunktionen sind immunbedingt. Dabei regt das körpereigene Abwehrsystem das Schilddrüsengewebe an, sodass zu viele Hormone produziert werden (Morbus Basedow). Eher selten sind bösartige Tumore.
Wer typische Symptome bei sich wahrnimmt, kann einen Termin in der Sprechstunde am Klinikum St. Georg vereinbaren. Die Ambulanz ist telefonisch unter 0341 423-1623 zu erreichen.
Ob eine Schilddrüsenerkrankung vorliegt, erkennt der Arzt mittels Ultraschall, Laborparametern und Szintigrafie, bei der eine radioaktive Substanz gespritzt wird. Die Fehlfunktionen oder Erkrankungen der Schilddrüse sind in der Regel gut behandelbar. „In erster Linie setzen wir auf die konservative Therapie mit Medikamenten oder der Gabe von radioaktivem Jod. Operiert wird nur, wenn es medizinisch notwendig ist. Das ist zum Beispiel bei Tumoren und knotigen Veränderungen der Fall oder wenn die vergrößerte Drüse in den Brustkorb drückt und die Luftröhre verdrängt“, betont Dr. Mario Braunert. Der Oberarzt ist seit sieben Jahren in der Endokrinen Chirurgie tätig und leitet die Abteilung seit dreieinhalb Jahren.
Bei der Operation ist äußerste Sorgfalt geboten, die Chirurgen müssen strenge Richtlinien einhalten. „Zum einen dürfen die hinter den Schilddrüsenlappen liegenden hirsekorngroßen Nebenschilddrüsen nicht verletzt werden“, sagt Dr. Mario Braunert. „Zum anderen besteht die Gefahr, die Stimmbandnerven zu schädigen.“ Um die Risiken zu minimieren, setzen die Ärzte am St. Georg bei allen Eingriffen an der Schilddrüse das sogenannte intraoperative Neuromonitoring ein. So wird während jeder Operationsphase die regelrechte Nervenfunktion überprüft.
„Wenn möglich wählen wir organerhaltende Operationsstrategien und minimalinvasive Zugangswege für optimale kosmetische Ergebnisse“, ergänzt Dr. Mario Braunert. Die Patienten dürfen in der Regel am zweiten Tag nach Hause gehen.
Vanessa Blumhagen
„Hashimoto gehört zu mir und meinem Leben. Ich habe die Krankheit angenommen und gebe ihr nicht mehr Raum als nötig. Sie hat mich aber auch erwachsener gemacht, demütiger und in vielen kleinen, schönen Dingen des Lebens sogar dankbarer.“
„Es ist wichtig für Betroffene, den richtigen Arzt zu finden, der ihnen zuhört. Eine ganzheitliche Behandlung ist die beste. Denn Hashimoto betrifft nicht nur die Schilddrüse. Informieren Sie sich! Nur wer über seinen Körper Bescheid weiß, kann auf eine adequate Therapie pochen. Man kann zusätzlich mit vielen kleinen Veränderungen ein großes Plus an Lebensqualität erreichen. Das fängt bei der Ernährung an. Entspannung und Entgiftung sind weitere wichtige Punkte.“
Vanessa Blumhagen, Moderatorin beim Sat.1 Frühstücksfernehen. Sie leidet unter der autoimmun verursachten Schilddrüsenentzündung „Hashimoto“ und engagiert sich in der Organisation „Hashimoto- Deutschland“.