Keine Angst vor der Narkose
Sein Leben in die Hände eines anderen Menschen zu geben und keine Kontrolle mehr zu haben, ist für viele eine schreckliche Vorstellung. Steht eine Operation bevor, sind Betroffene jedoch häufig auf eine Narkose angewiesen, um erfolgreich behandelt werden zu können. „Oft haben Patienten mehr Angst vor der Narkose als vor der Operation – auch wenn es sich um einen sehr schweren Eingriff handelt“, berichtet Prof. Armin Sablotzki, Anästhesist und Chefarzt am Klinikum St. Georg. Die Furcht, aus der Narkose nicht mehr aufzuwachen, ist in den meisten Fällen jedoch unbegründet. „Statistisch gesehen sterben heute nur noch 0,4 von 100.000 Patienten“, sagt Prof. Sablotzki. Dank moderner Überwachungsinstrumente, verbesserter Medikamente und der intensiven Schulung von Narkoseärzten ist das Risiko schwerer Komplikationen sehr gering. Dauer und Tiefe der Betäubung werden individuell an den Patienten und an den OP-Verlauf angepasst.
Wichtige Informationen vorab besprechen
Unerlässlich für eine sichere Anästhesie ist das persönliche Vorgespräch, in dem der Gesundheitszustand mit dem Arzt abgeklärt wird. Der Betroffene sollte genau mitteilen, welche Medikamente er einnimmt. Das betrifft auch Präparate aus der Pflanzenmedizin. So können zum Beispiel die Extrakte von Ginkgo, Johanniskraut, Baldrian, Rotem Sonnenhut, Knoblauch oder Ginseng die Narkosedauer beeinflussen. Auch Genussgifte wie Nikotin oder Alkohol beeinträchtigen die Wirkung eines Narkosemittels.
„Unsere Aufgabe ist es darüber hinaus, Risikopatienten zu erkennen. Dazu zählen Menschen mit schweren Herz- oder Lungenkrankheiten, Stoffwechselerkrankungen oder Nieren- und Leberfunktionsstörungen“, ergänzt Prof. Sablotzki. Je nach Größe, Gewicht und Verträglichkeit wird die Medikation von den Anästhesisten individuell abgestimmt.
Risikopatienten werden im Klinikum St. Georg zusätzlich durch Neuromonitoring überwacht. Spezielle EEG-Monitore helfen, die Narkosetiefe zu beurteilen. Elektroden an der Stirn des Betroffenen messen die spontane hirnelektrische Aktivität. Ein Computer errechnet aus den Daten einen Index, der zwischen Null (tiefe Narkose) und 100 (Wachzustand) liegt. Die Ärzte können so Komplikationen frühzeitig erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten. Das St. Georg ist auch Ausbildungsklinik für diese Technik.
Plötzliches Erwachen während der Narkose
Doch nicht nur die Angst nicht mehr aufzuwachen, sondern auch das genaue Gegenteil, nämlich während der Operation wach zu werden, beunruhigt Patienten. Im Fachjargon wird dieser Zustand „Awareness“ genannt und kommt statistisch gesehen etwa bei ein bis zwei von 1.000 Eingriffen vor. Das heißt jedoch nicht zwangsläufig, dass diese Betroffenen während des Eingriffs erwachen und Schmerzen spüren, sich aber nicht äußern können. Die Statistik erfasst auch diejenigen, die nur akustische Reize wahrgenommen oder keine bewusste Erinnerung an ihren Wachzustand haben. „Wichtig ist, jeden Verdacht ernst zu nehmen. Denn das Risiko auch bei der nächsten OP aufzuwachen, ist nicht zu unterschätzen“, betont Dr. Michael Malcharek, Oberarzt des Fachbereiches Neuroanästhesie und interoperatives Neuromonitoring am St. Georg. Insbesondere bei Notfall- oder Herzoperationen, Kaiserschnitten und bei Patienten, die hochdosierte Schmerzmittel nehmen, besteht ein erhöhtes Risiko, während der Narkose wach zu werden. Auch in diesen Fällen werden mittels Neuromonitoring die Hirnströme überwacht. Die Anästhesisten sind so in der Lage, den Grad des Bewusstseins einzuschätzen und die Narkose besser zu steuern.
Darüber hinaus können Patienten selbst entscheidend zum Gelingen einer Operation beitragen. „Sie sollten versuchen, ihre Ängste zu benennen und dem Arzt möglichst viele Informationen zu Lebensgewohnheiten und Begleiterkrankungen geben. Zudem sollten sie sich Ruhe vor einer Operation gönnen“, empfiehlt Prof. Sablotzki.