Die Errungenschaften der Schulmedizin will kaum ein Patient mehr missen. Doch gerade bei funktionellen Störungen oder chronischen Erkrankungen vertrauen immer mehr Menschen – oft zusätzlich – auf alternative Methoden. Rund 60 Prozent der Bevölkerung nutzen neben der Schulmedizin komplementärmedizinische Behandlungsmethoden.
Im Sinne der ganzheitlichen Medizin setzen auch immer mehr Kliniken auf eine Kombination konventioneller und komplementärer Medizin. „Die komplementäre Medizin umfasst ein breites Spektrum an verschiedenen Behandlungsansätzen. Diese bieten zusätzliche Therapieoptionen zu den bereits etablierten Verfahren der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Psychologie. Die traditionelle chinesische Medizin wird beispielsweise bereits seit über 2.000 Jahren in China praktiziert und entwickelt. Diese Erfahrungen machen wir uns zunutze. Entscheidend für den Erfolg ist die sinnvolle Kombination von Hightech-Schulmedizin und komplementären Methoden. Um diese zu finden, muss der Anwender in beiden Gedankenwelten zu Hause sein“, erklärt Dr. Lutz Günther. Als Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie leitet er seit 2009 zusätzlich das Zentrum für Komplementäre Medizin am Klinikum St. Georg. An dem Leipziger Klinikum werden neben der traditionellen chinesischen Medizin auch Therapien klassischer Naturheilverfahren und Osteopathie sowie Hypnotherapie angeboten. All diese alternativen Therapieformen haben dabei eines gemein: sie beziehen den menschlichen Organismus als Ganzes ein. Zur Grundannahme gehört weiterhin, dass der Körper zur Selbstregulierung fähig ist und dass eine Heilung nur durch die Förderung der Selbstheilungskräfte möglich ist.
Gezielte Stiche
Eine der ältesten und bekanntesten Behandlungsmethoden der traditionellen chinesischen Medizin ist die Akupunktur. Sie geht von der Lebensenergie des Körpers aus, die auf definierten Leitbahnen beziehungsweise Meridianen zirkuliert und einen steuernden Einfluss auf alle Körperfunktionen hat. Ist der Energiefluss gestört, führt dies zu Erkrankungen. Durch Stiche in auf den Meridianen liegende Akupunkturpunkte soll die Störung im Fluss behoben werden. Das Anwendungsgebiet für Akupunktur ist vielfältig. So können beispielsweise Beschwerden wie Rückenschmerzen, Migräne, Schlafstörungen und Magen-Darm-Erkrankungen bei vielen Patienten vollständig behoben werden. „Zudem haben wir sehr gute Erfahrungen mit der Akupunktur als begleitende Therapie bei unseren onkologischen Patienten gemacht. Die von der Bestrahlung verursachte Übelkeit wird durch Akupunktur gelindert“, betont Dr. Lutz Günther.
Kleine Helfer
Bei chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates bietet die Blutegeltherapie eine gute Alternative zur täglichen Tabletteneinnahme. Die heilende Wirkung der Blutegel basiert auf der Zusammensetzung des Speichels, der circa 30 verschiedene Substanzen enthält. Diese wirken auf dem jeweiligen Entzündungsherd durchblutungsfördernd, antientzündlich und schmerzlindernd. „Jeder Patient erhält eigene, speziell für den Einsatz gezüchtete Blutegel. Bei Arthrose im Knie werden beispielsweise sechs Blutegel auf das Knie gesetzt. Nach etwa 90 Minuten sind die Ihr Egel vollgesaugt und fallen von selbst ab. Das anschließende natürliche Nachbluten der Wunde reinigt zusätzlich“, erklärt Physiotherapeutin Mira Wehde, die die Blutegeltherapie am Klinikum St. Georg durchführt. Bereits kurz nach der Anwendung können Betroffene ihre Knie besser bewegen und haben weniger Schmerzen. Abgesehen davon, dass keine Nebenwirkungen auftreten, hat die Blutegeltherapie noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: eine Behandlung wirkt bis zu einem Jahr. Sofern die komplementärmedizinischen Leistungen nicht im Rahmen eines stationären Aufenthaltes durchgeführt werden, müssen Patienten für diese selbst aufkommen. Einige Krankenkasse übernehmen jedoch teilweise die Kosten für osteopathische Behandlungen und Akupunktursitzungen bei chronischen Rückenschmerzen.