Über Nacht: fix und fatigue – Eine Multisystemerkrankung mit sieben Siegeln

November 01, 2021
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Das „Chronic Fatigue Syndrome“ (CFS) ist eine Erkrankung, die Ärzte vor große Herausforderungen stellt. Der Grund: Die möglichen Ursachen sind vielfältig. Dementsprechend braucht es für eine effektive Behandlung sehr individuelle Therapien.

Die Verwandlung“ von Franz Kafka ist eine der bekanntesten Erzählungen der Literaturgeschichte. Gregor Samsa wacht eines Morgens aus unerklärlichen Gründen als Käfer auf und muss feststellen, dass dieser Zustand nicht nur vorübergehend ist, sondern leider, leider dauerhaft. Einige Menschen erleben im echten Leben etwas Ähnliches. Sie wachen zwar nicht als Käfer auf, aber dennoch ohne jegliche Energie und Kraft. Passiert das an den folgenden Tagen häufiger, kommt schnell die Frage auf: Was ist los mit mir? Die Antwort und Diagnose lautet in vielen Fällen: Chronic Fatigue Syndrome. Die Erkrankung, die den ganzen Körper betrifft, kann Betroffene ohne Vorwarnung von heute auf morgen aus der Bahn werfen. „Das ist natürlich ein großer Schock, wenn man in einer Nacht das einstige Leistungsvermögen wie von Geisterhand einbüßt“, weiß Dr. Peter Grampp. Die genaue Anzahl der Menschen, die unter dem Syndrom leiden, ist nicht bekannt. Schätzungen zufolge sind es in Deutschland bis zu 300.000, weltweit zwischen 15 und 30 Millionen.

Eine Krankheit mit sieben Siegeln

Therapie

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CFS ist eine Multisystemerkrankung, die das Nerven- und Immunsystem sowie den Energiestoffwechsel angreift und für die meisten Ärzte eine Krankheit mit sieben Siegeln ist: „Das deutlichste Symptom ist eine enorme Erschöpfung nach den einfachsten geistigen, psychischen oder körperlichen Anstrengungen“, betont der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Fachkrankenhaus Hubertusburg. Die subjektive Wahrnehmung von Erschöpfung, Antriebslosigkeit und Müdigkeit unterscheidet sich bei Betroffenen. Oftmals eint sie zumindest das Gefühl, dass sich trotz zahlreicher Ruhemomente am Tag die Lebensqualität immer weiter verschlechtert. Die folgende somatische Suche nach körperlichen Ursachen gleicht einer Sisyphusarbeit, an der diverse Fachbereiche beteiligt sind. Für den Patienten beginnt eine lange Ärzte-Odyssee, die Nerven kostet und die Psyche belastet, wenn sich die Ursache einfach nicht finden lässt. Wird keine körperliche Ursache gefunden, lautet schlussendlich die Diagnose CFS – und die hat, wie andere Krankheiten auch, ebenfalls nicht nur einen einzelnen Grund. Verantwortlich für den Ausbruch kann beispielsweise ein ganz normaler Infekt sein, aber auch das Pfeiffersche Drüsenfieber, Rheuma, Grippe- und Erkältungsviren sowie Magen-Darm-Keime oder auch Autoimmunerkrankungen.

Ziel: neue Work-Life-Balance

Dr. Grampp und sein Team helfen im Fachkrankenhaus Hubertusburg CFS-Erkrankten mit hochindividuellen Therapieansätzen. Um den Alltag perspektivisch wieder besser bestreiten zu können, müssen Betroffene die chronische Erschöpfung vor allem verstehen lernen. „Geduld und Vernunft sind essentiell, um einen Großteil des ehemaligen Lebens zurückzuerhalten. Auf diesem Weg coachen und unterstützen wir den Patienten mit unserem Fachwissen“, erklärt Dr. Peter Grampp. Er erstellt dabei zu Anfang eine umfassende Diagnostik, um einen passenden Therapieansatz zu finden. Ziel ist die möglichst vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben und die Etablierung einer neuen Work-Life-Balance, die an das Chronic Fatigue Syndrome angepasst wird. Doch wie kann das glücken? Aussichten auf eine Linderung bieten zum Beispiel Ergo- und Physiotherapie sowie Musikund Kunsttherapie. Auch Achtsamkeitsübungen, das Führen eines Energie-Tagebuchs oder leichte sportliche Aktivitäten wie ein zehnminütiger Spaziergang können helfen. „Ganz wichtig ist, sich nicht zu überfordern und dadurch einen Rückfall zu provozieren.“ Patienten mit psychischen Problemen sollten eine Verhaltenstherapie in Anspruch nehmen.

COVID als Chance

Auch mit COVID-19-Erkrankungen geht in manchen Fällen eine ganz neue Qualität von Erschöpfung und Müdigkeit einher. „Die Parallelen bei den Symptomen sind unverkennbar, zumal es auch nach anderen Infektionserkrankungen ähnliche Erschöpfungssyndrome gibt. Hinter diesen stehen möglicherweise durch Antikörper verursachte Autoimmunerkrankungen“, beschreibt Dr. Peter Grampp den medizinischen Forschungsansatz, der in den nächsten Jahren ausgiebig untersucht werden soll. In Zukunft könnte die Antwort auf ein CFS eine sogenannte Immunadsorption sein, mit der Antikörper therapeutisch reduziert werden könnten. Dabei werden die Antikörper, welche das körpereigene Gewebe angreifen, entfernt und damit das Blut des Patienten gereinigt. Der erfahrene Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Fachkrankenhaus Hubertusburg ist optimistisch: „Damit erhalten wir einen weiteren individuellen Therapieansatz, um CFS in seine Schranken zu weisen“ – und einen weiteren Weg, das Buch mit den sieben Siegeln nach und nach doch noch zu entschlüsseln.

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