Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD, ist eine Volkskrankheit, die noch immer unterschätzt wird. Oft wird sie von den Betroffenen erst sehr spät wahr- und vor allem ernstgenommen. Dabei ist sie sehr weit verbreitet.
„Beinahe zehn Prozent der Bevölkerung leiden in Deutschland an COPD“, erklärt Dr. med. Stephan Nagel, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin „Robert Koch“. „Das sind mehr als an Asthma, Lungenentzündung und Lungenkrebs zusammen.“ Dr. Nagel leitet seit diesem Jahr die Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin des Klinikums St. Georg als Chefarzt. Davor war er dreieinhalb Jahre kommissarischer Leiter der Fachklinik.
Die Klinik ist erst im Corona-Winter 2020/21 vom Klinikstandort Grünau nach Eutritzsch gezogen. Dr. Nagel weiß auch um die Vorzüge des neuen Standorts. „Durch die kurzen Wege haben wir hier mehr Möglichkeiten in der Diagnostik und können leichter mit den Kollegen interdisziplinär zusammenarbeiten, beispielsweise mit der Thoraxchirurgie.“
Was ist COPD?
COPD ist eine chronische Lungenerkrankung, die nicht heilbar ist. Die Atemwege sind dauerhaft verengt und entzündet. Betroffene leiden in akuten Phasen unter starker Atemnot und oft tagelangem Krankheits- und Schwächegefühl. COPD-Erkrankte sterben im Schnitt sieben Jahre früher als gesunde Menschen.
Raucherhusten. Na und?
Die allermeisten COPD-Patienten in Deutschland sind Raucher. Im Schnitt erkrankt jeder fünfte von ihnen. Die Symptome werden dabei oft nicht ernst genommen. „Den schleichenden Lungenfunktionsverlust verdrängen die Patienten häufig oder ziehen die falschen Schlüsse daraus“, stellt Dr. Nagel fest. „Viele kommen erst in die Klinik, wenn sie schon starke Atembeschwerden haben und aufgrund der Einschränkungen ihren Alltag nicht mehr bewältigen können.“ Dabei gilt auch bei COPD: Je eher die Krankheit erkannt wird, umso besser kann sie behandelt werden. Der Chefarzt mahnt Raucher daher bereits bei ersten Anzeichen wie chronischem Husten, Auswurf und Atemnot zu einer Lungenfunktionsprüfung.
1.000 COPD-Patienten im Jahr
In der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin „Robert Koch“ werden jährlich circa 1.000 Patienten mit sogenannten COPD-Exazerbationen behandelt. Eine Exazerbation bezeichnet eine drastische Verschlimmerung der Symptome. Das geschieht vor allem in den kalten Jahreszeiten. Hauptursache ist dabei oft eine Virusinfektion, nicht selten gefolgt von bakteriellen Erkrankungen. Zur Linderung der akuten Beschwerden setzen die Mediziner dann, neben Antibiotika- Behandlungen bei bakteriellen Infektionen, vorrangig auf Spray- und Inhalationstherapien mit bronchienerweiternden und entzündungshemmenden Medikamenten oder Infusionsbehandlungen.
COPD-Exazerbationen verhindern
Um Exazerbationen vorzubeugen, empfiehlt Dr. Nagel COPD-Kranken regelmäßige Impfungen gegen unterschiedliche Bakterien- und Viruserkrankungen wie Grippe, Pneumonie, Keuchhusten oder COVID-19. „Während der Corona-Pandemie hatten wir deutlich weniger COPD-Patienten auf der Station“, berichtet Dr. Nagel. „Die allgemeinen Schutzmaßnahmen wie Abstand halten, Maske tragen, Hände waschen und Desinfizieren haben auch den Betroffenen dieser vulnerablen Gruppe geholfen.“
Impfempfehlung für den Winter
Der Mediziner empfiehlt seinen Patienten, mit einer Auffrischung des Corona-Schutzes noch bis Oktober oder November zu warten. Dann könnten sie diese direkt mit der Influenza- Impfung kombinieren und auf diese Weise sicher durch die Weihnachtszeit kommen. Alles in allem sieht er dem kommenden Winter aber entspannter entgegen. Die Omikron-Variante zeige kaum schwere Verläufe und auch wenn die Impfquote besser sein könnte, trage sie doch dazu bei, dass immer weniger Betroffene auf den Intensivstationen behandelt werden müssen. „In den nächsten Jahren wird sich Corona zu einem saisonalen Keim wie Influenza entwickeln“, stellt der Chefarzt in Aussicht. „Aber solange das noch nicht so ist, sollten wir wachsam bleiben.“ In diesem Kontext befürwortet Dr. Nagel auch die allgemeine Impfpflicht für Krankenhauspersonal. „Wir haben eine besondere Verantwortung gegenüber unseren Patienten“, sagt er und unterstreicht dabei, dass alle Ärzte seiner Station gegen COVID-19 geimpft sind.