Das Schwerbrandverletztenzentrum

November 01, 2021
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„Der Patient kommt am schlimmsten Tag seines Lebens zu uns, aber von da an geht es bergauf.“

Das Schwerbrandverletztenzentrum im Klinikum St. Georg in Leipzig ist mit zwölf Betten die größte und modernste Einrichtung zur Behandlung und Nachsorge von Brandverletzungen und Verbrühungen in Mitteldeutschland. Hier kümmert sich ein multiprofessionelles Team um die Patienten und hilft ihnen auf dem Weg zurück ins Leben.

1.500 – Das ist die Zahl jener Menschen, die in Deutschland jedes Jahr Brandverletzungen erleiden, welche so schwer sind, dass sie in einem Schwerbrandverletztenzentrum behandelt werden müssen. Hinter jedem dieser Fälle verbirgt sich ein Menschenleben, das eine dramatische Wendung nahm. So wie das von Timo Schneider*. Der 38-jährige Leipziger arbeitete gerade mit einer Flexmaschine im Keller, als er versehentlich eine Gasleitung traf. Die Leitung explodierte. Schneider erlitt Verbrennungen 3. Grades auf fast 80 Prozent seiner Körperoberfläche. Nach der Erstversorgung durch den Notarzt flog ihn ein Rettungshubschrauber zum Klinikum St. Georg, wo er umgehend ins dortige Schwerbrandverletztenzentrum gebracht wurde.

Transport im OP

© Klinikum St. Georg

Team im Schockraum

Hier wartete im sogenannten Schockraum bereits ein eingespieltes medizinisches Team aus Pflegekräften und Intensivmedizinern auf ihn. „Zunächst geht es darum, den Patienten zu stabilisieren“ erklärt Prof. Dr. Thomas Kremer, Chefarzt des Schwerbrandverletztenzentrums. „Er wird also beatmet, der Blutdruck fortlaufend kontrolliert und wir verabreichen Kochsalzinfusionen, um die Undichtigkeit der Blutgefäße als Folge der Verbrennungen zu verringern.“ Sobald das Team den Patienten ausreichend stabilisiert hat, führt es eine Wundreinigung durch und legt einen Ganzkörperverband mit antiseptischer Salbe an. Sind weite Teile der Haut von Verbrennungen betroffen, ist dies eine extrem aufwendige Prozedur. „Bei Fällen wie Herrn Schneider sind damit oft mehrere Pflegekräfte drei bis vier Stunden beschäftigt.“

Neue Haut aus dem Labor

Viel Zeit und Aufwand braucht es auch für die weiteren Behandlungsschritte. Weil bei Verbrennungen 3. Grades die Haut so schwer geschädigt wird, dass sie abstirbt und giftige Stoffe die Organe schädigen, muss sie von plastischen Chirurgen in mehreren Operationen entfernt werden. „Danach legen wir dem Patienten einen vorübergehenden Wundverband aus Fremdhaut von Körperspendern an, der jede Woche gewechselt wird.“ erläutert Prof. Dr. Kremer. Währenddessen wird in einem Labor auf Grundlage einer Gewebeprobe der unverletzten eigenen Haut neue Haut gezüchtet. Im Fall von Timo Schneider dauerte das rund vier Wochen. Die gezüchtete Haut wiederum braucht in der Regel vier bis sechs Wochen, bis sie dicker wird und auf dem Körper „eingeheilt“ ist. Nach gut 100 Tagen konnte Timo Schneider das Schwerbrandverletztenzentrum zur mehrwöchigen Reha verlassen. „Ohne Zweifel sind schwere Brandverletzungen eine immense Belastung für den Körper und die Psyche des Patienten“, so Prof. Dr. Kremer. „Aber zum Glück hat die Medizin in den letzten Jahren sehr große Fortschritte gemacht. Dadurch haben auch Menschen wie Herr Schneider mit bis zu 80 Prozent verbrannter Haut hohe Überlebenschancen und langfristig oft eine sehr gute Lebensqualität.“

Begleitung auf dem Weg zurück ins Leben

Trotz der guten Prognose brauchen Patienten meist eine intensive psychologische Behandlung. „Die Psychologen sind ein unverzichtbarer Teil unseres hervorragenden multiprofessionellen Teams aus 35 Pflegekräften, sechs Anästhesisten und Intensivmedizinern, 15 plastischen Chirurgen sowie zusätzlichen Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Sozialarbeitern“, sagt der Arzt. „Ohne sie und das Angebot der Brandverletztensprechstunde würden viele Patienten den Weg zurück ins Leben nicht finden.“ Damit dies gelingt, begleiten die Psychologen Patienten wie Timo Schneider über die gesamte Behandlungszeit hinweg. Sie sind auch dabei, wenn die Patienten das erste Mal ihre Wunden sehen und betreuen die Angehörigen der Verletzten. Bei der Frage, woher er und seine Kollegen die Kraft für ihre oftmals belastende Arbeit nehmen, denkt Prof. Dr. Thomas Kremer einen Moment lang nach. „Auch wenn der Anblick so schwerer Verletzungen belastend sein kann, empfinde ich es als eine dankbare Tätigkeit“, formuliert er nach einer Weile seine Gedanken. „Der Patient kommt am schlimmsten Tag seines Lebens in unsere Klinik. Aber von da an geht es bergauf, und die Menschen sind in der Regel sehr dankbar für unsere Arbeit. Das gibt uns ein gutes Gefühl und die notwendige Kraft.“ Prof. Dr. Kremer hebt außerdem die großartige Arbeit der Pflegekräfte hervor. „Die bekommen das Leid der Patienten noch mehr mit, machen einen wirklich harten Job mit einer großen Leidenschaft. Davor ziehe ich wirklich den Hut!“

Team Schwerbrandverletztenzentrum

© Klinikum St. Georg

* Name geändert

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