Rund um die Uhr im Einsatz
Jedes Jahr werden rund 20 Millionen Menschen in deutschen Notaufnahmen versorgt. Ob kleinere Schnittwunden, Herzinfarkte oder Unfallopfer – schnelles Handeln ist gefragt und nicht selten auch lebensnotwendig. Im Interview spricht Dr. Stefanie Hanschke, Chefärztin der Zentralen Interdisziplinären Notaufnahme (ZNA) am Klinikum St. Georg, über die täglichen Herausforderungen.
Frau Dr. Hanschke, Sie sind seit acht Jahren Chefärztin der ZNA. Wie viele Patienten behandeln Sie jährlich und was sind die häufigsten Verletzungen?
Das Klinikum St. Georg verfügt über zwei Notaufnahme-Standorte. Hier in der ZNA am Standort Eutritzsch behandeln wir pro Jahr circa 45.000 Fälle, Tendenz steigend. Das entspricht rund 123 Patienten täglich. Die zweite Notaufnahme befindet sich am Robert-Koch-Klinikum in Grünau. Sie ist spezialisiert auf internistische Notfälle, also Fälle, die die Innere Medizin betreffen. Dort werden jährlich etwa 7.000 Patienten behandelt. Eine Häufung bestimmter Verletzungen gibt es in der Form nicht. Das Spektrum ist breit, reicht von Bagatellverletzungen über Schlaganfälle und Herzinfarkte bis hin zu Verkehrsunfällen.
Immer wieder hört man von überfüllten Notaufnahmen und mehrstündigen Wartezeiten für Patienten.
Bei durchschnittlich 120 Patienten täglich kommt es natürlich auch einmal zu längeren Wartezeiten. In der Regel sind immer fünf Krankenschwestern beziehungsweise -pfleger sowie zwei bis sechs Fachärzte im Einsatz. Wir sind natürlich bemüht, jeden Patienten schnellstmöglich zu versorgen. Aber wir müssen uns auch nach der Schwere der Verletzung und nach dem Zustand des Patienten richten. Eine umfassende medizinische Diagnose ist zudem sehr zeitintensiv, jedoch unerlässlich. Zunehmend suchen auch Patienten die Notaufnahme auf, die keinen Notfall im eigentlichen Sinn darstellen – für diese kann es dann auch einmal zu mehrstündigen Wartezeiten kommen.
Vor allem bei Herzinfarkten oder Unfallopfern zählt jede Minute. Wie bewahren Ärzte in solch hektischen Situationen einen kühlen Kopf?
Es ist unsere Aufgabe, in diesen Momenten die Ruhe zu bewahren. In solchen Situationen muss jeder Handgriff sitzen. Es gibt für alle Notfälle standardisierte Abläufe, die auch regelmäßig trainiert werden. So gibt es zum Beispiel beim Polytrauma ein standardisiertes Konzept, genannt ATLS, das die diagnostischen und therapeutischen Handlungsabläufe international definiert. Koordiniert werden diese Abläufe von einem sogenannten Trauma- Leader, der in solchen Fällen das Kommando übernimmt. Im Allgemeinen geht es bei uns aber ruhiger zu, als es in Arztserien im Fernsehen dargestellt wird.
Wie schnell können im Bedarfsfall Spezialisten eines anderen Fachbereiches vor Ort sein?
Dies ist in wenigen Minuten möglich. Unter Umständen werden nach entsprechender Vorankündigung die Kollegen bestimmter Fachrichtungen bereits vorinformiert. Wird beispielsweise über den Rettungswagen ein Verkehrsunfall angekündigt, bei dem der Patient Verletzungen im Kopf- und Brustkorbbereich erlitten hat, dann sind die Kollegen der Neurochirurgie und der Thoraxchirurgie schon mit im Schockraum, wenn der Patient eintrifft, um sofort handeln zu können.
Gerade jetzt im Sommer ist die extreme Hitze vor allem für Kleinkinder und ältere Menschen sehr belastend. Häufen sich die Notfälle in den Sommermonaten?
Wir beobachten tatsächlich saisonale Schwankungen. Bei extrem hohen Temperaturen zwischen 30 und 35 Grad Celcius über einen längeren Zeitraum verzeichnen wir einen Anstieg der Notfälle. Vor allem ältere Menschen, die nicht genug trinken, kommen dann in die Notaufnahme, klagen über Schwindelgefühle oder Verwirrtheit. Die Ursache ist meist eine sogenannte Exsikkose, der medizinische Begriff für die Austrocknung des Körpers. Gerade bei solch extremen Temperaturen ist Flüssigkeit sehr wichtig, etwa anderthalb bis zwei Liter sollte man über den Tag verteilt trinken. Am besten eignen sich ungesüßte Tees, verdünnte Fruchtsäfte oder Wasser. Neben Senioren sind aber auch Kleinkinder besonders gefährdet, vor allem wenn sie ungeschützt der Sonne ausgesetzt sind. Tatsächlich sind die Zahlen von Kindern mit Sonnenbrand oder Hitzeschäden in den letzten Jahren jedoch rückläufig. Dies liegt auch daran, dass die Medien zum Sommerbeginn sehr umfassend über den richtigen und wichtigen Sonnenschutz informieren. Und natürlich herrscht auch im Winter bei Glatteis Hochbetrieb in der Notaufnahme. Dann sind es vor allem Handgelenk- oder Knöchelfrakturen, die wir behandeln.
Was sollten Patienten mitbringen, wenn sie in die Notaufnahme kommen?
Ganz wichtig ist natürlich die Chipkarte der Krankenkasse, damit wir die Patienten behandeln können. Personalausweis oder Reisepass sind von Vorteil, aber nicht unbedingt notwendig. Chronisch Kranke, ältere Patienten und auch Angehörige von Pflegebedürftigen
oder dementen Personen sollten zudem immer einen Medikamentenzettel bei sich tragen, damit im Notfall Klarheit herrscht und eventuell unerwünschte Wechselwirkungen von Medikamenten vermieden werden.