Verborgene Leiden und sichtbare Lösungen: Ein Blick auf Lebererkrankungen und ihre Diagnose.
Die Leber leidet still. Die Leber spielt eine zentrale Rolle bei der Entgiftung des Körpers und für den Stoffwechsel. Grund genug, einmal einen genaueren Blick auf das Organ und seine Erkrankungen zu werfen. Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. med. Ingolf Schiefke, dem Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie und Endokrinologie am Klinikum St. Georg.
Eine stille Heldin: Die Leber und ihre Funktionen
Die Leber ist das schwerste innere Organ des Körpers und erfüllt eine Vielzahl lebenswichtiger Funktionen. Sie filtert das Blut, um Giftstoffe, Abfallprodukte und andere schädliche Substanzen zu entfernen. Sie speichert Vitamine und Eisen für den Körperbedarf, produziert Gallenflüssigkeit, die für die Verdauung essenziell ist und spielt eine entscheidende Rolle im Stoffwechsel, indem sie Glukose, Proteine und Fette produziert und verarbeitet. All das tut sie, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn mit ihr etwas nicht stimmt, schmerzt sie nicht so schnell wie der Magen und macht sich nicht durch Atemnot oder Herzrasen bemerkbar. Für Chefarzt Prof. Dr. Ingolf Schiefke ist es genau diese Unauffälligkeit, die die Leber zu einem faszinierenden, aber auch gefährdeten Organ macht: „Die Leber leidet meistens eine lange Zeit still vor sich hin, bevor man merkt, dass es ihr nicht gutgeht.“ Das erklärt auch, warum so viele Menschen in Deutschland von Lebererkrankungen betroffen sind, ohne es zu wissen. Schätzungen zufolge leide immerhin 30 Prozent der Bevölkerung an einer Fettleber. Zudem haben rund zehn Millionen Erwachsene deutlich erhöhte Leberwerte. Noch besorgniserregender ist, dass Lebererkrankungen die dritthäufigste Todesursache sind.
Risikogruppen und Warnsignale des Körpers
Umso wichtiger ist es, eine Lebererkrankung rechtzeitig zu erkennen. Ein früher Nachweis kann dazu beitragen, schwerwiegende Folgen wie Leberzirrhose oder Leberzellkrebs zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Dies gilt insbesondere für Risikogruppen, zu denen Menschen mit Übergewicht, Diabetes, hohem Alkoholkonsum, Autoimmunerkrankungen und genetischer Veranlagung für Lebererkrankungen gehören. Auch Menschen, die durch intravenösen Drogenkonsum oder häufig wechselnde Sexualpartner Hepatitis bekommen, gehören zur Risikogruppe. Doch wie erkennt man eine Erkrankung dieses „stillen“ Organs? „Die Müdigkeit ist der Schnupfen der Leber“, fasst Prof. Schiefke zusammen. Unklare Erschöpfung und Abgeschlagenheit können erste Indikatoren für eine Lebererkrankung sein. Bei akuten oder fortgeschrittenen Erkrankungen können sich zudem die Augen oder die Haut der Betroffenen gelb verfärben. In späteren Stadien bläht sich oft der Bauch durch Wassereinlagerungen auf.
Hightech-Diagnostik: Ein Wachposten für die Gesundheit
Um sich schnell ein gutes Bild vom Zustand der Leber machen zu können, setzen Prof. Schiefke und sein Team modernste Diagnosemethoden ein. Bei den Initialuntersuchungen wird häufig eine Blutuntersuchung durchgeführt, die einen umfassenden Überblick über die allgemeine Gesundheit und spezifische Leberwerte des Patienten oder der Patientin liefert. Diese Laborergebnisse können Aufschluss über erhöhte Enzymwerte geben, die auf eine Leberschädigung hinweisen. Zudem spielen bildgebende Verfahren eine entscheidende Rolle bei der Diagnose von Lebererkrankungen. Durch hochauflösende Ultraschalluntersuchungen, Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) können Veränderungen der Leberstruktur und Anomalien wie Zysten, Tumoren oder Narbengewebe sichtbar gemacht werden. In bestimmten Fällen wird eine Leberbiopsie durchgeführt. Dabei entnimmt der Arzt oder die Ärztin unter örtlicher Betäubung eine kleine Gewebeprobe aus der Leber, um sie unter dem Mikroskop zu untersuchen. Diese Prozedur kann detaillierte Informationen über den Grad und die Art der Lebererkrankung liefern, die mit anderen Diagnosemethoden nicht möglich wären. Und es gibt Grund zur Hoffnung. „Heute können wir eine Vielzahl von genetischen Mutationen erkennen, die zu verschiedenen Erkrankungen der Leber führen“, so Prof. Schiefke.
Was jeder tun kann
Aber worauf kann der Einzelne achten, um seiner Leber etwas Gutes zu tun? Prof. Schiefkes Rat ist klar: „Alkohol nur in Maßen trinken, körperlich aktiv sein, das Gewicht kontrollieren und Begleiterkrankungen wie Fettstoffwechselstörungen oder Diabetes konsequent behandeln lassen. Wer sich an diese Ratschläge hält, ist auf dem besten Weg, seiner Leber die Pflege und Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdient. Denn die Leber mag zwar still sein, aber sie ist ohne Zweifel eine unverzichtbare Verbündete in Sachen Gesundheit.“