Die Leipziger Allianz gegen Lungenkrebs
Das Besondere an dem vorgestellten Lungenkrebszentrum ist, dass es das einzige Behandlungszentrum für diese Erkrankung im Leipziger Raum ist, das nach den Qualitätsregeln der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert ist. Die anspruchsvollen Vorgaben der DKG erfüllen die Kollegen aus dem Klinikum St. Georg gemeinsam mit der Pneumologie am St. Elisabeth-Krankenhaus und kooperierenden niedergelassenen Ärzten. Es handelt sich um das „Mehrstandortige Lungenkrebszentrum Klinikum St. Georg/ St. Elisabeth-Krankenhaus Leipzig“. Gemeinsam arbeiten sie zum Wohle der Erkrankten in der „Leipziger Allianz gegen Lungenkrebs“ mit zahlreichen weiteren Partnern auf Augenhöhe zusammen.
Dr. Peter Ettrich kommt gerade aus dem OP, wo er einer Patientin einen Tumor nahe am Herzen aus der Lunge entfernt hat. Der Eingriff war kompliziert, ist aber gut verlaufen. Solche Operationen gehören zum Alltag von Dr. Ettrich, Chefarzt der Thoraxchirurgie am Klinikum St. Georg, der gleichzeitig auch der stellvertretende Leiter der Leipziger Allianz gegen Lungenkrebs ist. „Wir Thoraxchirurgen sind die einzigen unseres Faches innerhalb der Allianz und bilden die Klammer zwischen den im Lungenkrebszentrum zertifizierten Kliniken des St. Georg und des St. Elisabeth und zu allen weiteren Kooperationspartnern, z.B. auch zu den Kollegen des Diakonissenkrankenhauses, die in der Allianz gegen Lungenkrebs ebenfalls eng mit uns zusammenarbeiten“, erläutert Dr. Ettrich. In den wöchentlichen Tumorkonferenzen zum Lungenkrebs sitzen alle beteiligten Experten der verschiedenen Disziplinen zusammen und besprechen jeden einzelnen Patientenfall. Neben Dr. Ettrich nimmt zum Beispiel auch Dr. Stephan Nagel, Chefarzt der Pneumologie und Intensivmedizin am St. Georg, an den Tumorkonferenzen teil.
Das Tückische an Lungenkrebs
„Die Lunge selbst hat keine Nerven“, erläutert Dr. Nagel. „Schmerzen treten immer erst auf, wenn Nervenstrukturen betroffen sind.“ Erste Symptome können Abgeschlagenheit oder Gewichtsverlust sein. „Deswegen ist der Hausarzt so wichtig, der bei solchen Symptomen hellhörig werden sollte“, so Dr. Nagel. Erst recht, wenn der Patient oder die Patientin raucht. „Die Lunge hat je nach Körpergröße des Menschen eine Oberfläche von 80 bis 120 qm. Wenn ein Tumor davon fünf Quadratmeter in Anspruch nimmt, dann merkt die Person davon leider oft gar nichts“, erklärt Dr. Nagel. Ein deutliches Anzeichen ist blutiger Husten, in selteneren Fällen auch eine Stimmbandlähmung, aber dann ist die Krankheit schon fortgeschritten. Hinzu kommt, dass die Lunge stark durchblutet und eng mit dem Lymphsystem verbunden ist. Deshalb ist das Risiko hoch, dass der Krebs über das Blut und die Lymphe in andere Körperregionen gelangt und dort Metastasen bildet. Die Symptomarmut und die schnelle Verbreitung im Körper führen dazu, dass Patienten oft mit relativ großen Tumoren und Metastasen in die Klinik kommen. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Lungenkrebs liegt deshalb bei nur 20 Prozent.
Behandlungsmöglichkeiten: Operation und Therapien
„Niemand sollte zu schnell die Flinte ins Korn werfen“, sagt Dr. Ettrich. „Die Medizin hat in den letzten Jahren riesige Fortschritte gemacht.“ Es gibt gut funktionierende Chemo-, Strahlen-, Immun- und Antikörpertherapien, mit denen Krebs geheilt oder zumindest in Schach gehalten werden kann. „Die Entfernung bösartiger Tumoren durch eine Operation bietet bisher die beste Aussicht auf Heilung“, so Dr. Ettrich. „Deshalb versuchen wir in Abhängigkeit der Tumorausbreitung bei Entdeckung der Erkrankung mit individuell angepassten Vorbehandlungen der Tumoren möglichst noch mehr Patienten in ein operables Stadium zu bringen.“ Immuntherapien beispielsweise können die Tumoren „demaskieren“, sodass sie vom Körper als fremd angesehen und vom eigenen Immunsystem bekämpft und damit verkleinert werden. Bei Operationen wird nicht nur der Tumor entfernt, sondern anatomische Einheiten. Bei der Lunge sind das bisher in der Regel Lungenlappen. Momentan versucht man, die Einheiten zu verkleinern, sodass möglichst viel Lunge erhalten bleibt. Der Fokus liegt dabei auf den Lungensegmenten, aus denen die Lungenlappen bestehen. Um diese Segmente besser abgrenzen zu können, entwickelten Wissenschaftler phosphoreszierende Mittel und entsprechende Kameras, um die Segmentgrenzen besser sichtbar zu machen.
Zukünftige Behandlungs- und Operationsmöglichkeiten
In naher Zukunft werden die Spezialisten am Klinikum St. Georg mit einem Roboter operieren können, der mit sehr flexiblen Instrumenten, neuester Kamera- und Monitortechnik ausgestattet ist. „Wir freuen uns darauf. Die neue Technik wird uns die Arbeit sicherlich erleichtern, auch wenn der Roboter in der Behandlung des Lungenkrebses momentan noch keine entscheidenden Vorteile gegenüber den modernen minimalinvasiven OP-Methoden bietet. Übrigens nutzen wir bereits jetzt schon 3D-Kameras und Instrumente, die ähnlich beweglich sind, wie die robotischen Manipulatoren. Damit haben wir schon jetzt einen sehr hohen Aktionsradius während unserer Operationen“, sagt Dr. Ettrich. Wichtiger als der Roboter sind allerdings die genaue Bestimmung der Gewebeart und -eigenschaften der Lungentumoren. Das zielt auf die zunehmend personalisierte Behandlung der Patienten ab. „Je genauer wir wissen, wie der Tumor auf molekularer Ebene beschaffen ist und welche Marker er aufweist, desto besser wissen wir auch, welche Medikamente helfen“, so Dr. Nagel. In die Richtung wird gerade viel geforscht und entwickelt. Die dabei gesammelten Datenmengen werden zunehmend von künstlicher Intelligenz ausgewertet. Auch in der Chirurgie spielt KI zunehmend eine Rolle. Die vor- Dr. Ettrich und Team bei einer Operation handene Bildgebung durch PET, CT und MRT soll während der Operation mit dem Patienten virtuell verbunden werden. „Es kann bei der Präparation in die Tiefe sehr helfen, wenn mir die KI zum Beispiel sagt: Achtung, hinter dieser Struktur liegt ein Blutgefäß, auch wenn es für mich noch gar nicht sichtbar ist“, erklärt Dr. Ettrich. „Die KI wäre dann die Verbindung zwischen dem Live-Kamerabild und den vorhandenen computertomographischen Daten und gibt uns quasi einen dreidimensionalen Atlas zur individuellen Anatomie des Patienten.“
Zukünftige Vorsorgemöglichkeiten durch Lungenscreening
Damit Lungenkrebs in Zukunft früher erkannt wird, soll es ab 2025/2026 ein Lungenscreening für alle 50- bis 75-Jährigen geben. Nach einer ersten Befragung folgt für identifizierte Risikopatienten ein niedrig dosiertes CT, bei dem kleine Krebsherde auffallen. Man erhofft sich damit, viel mehr Patienten in einem frühen Krankheitsstadium zu entdecken. Dadurch haben diese Patienten die Chance, mit einer heilenden Operation ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen und gegebenenfalls mit einer individuellen systemischen Therapie, d.h. bei sehr hoher Lebensqualität, versorgt zu werden. Denn wie bei allen Krebsarten ist das frühe Erkennen und Behandeln von Lungenkrebs ausschlaggebend für gute Heilungsaussichten. Damit soll die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Lungenkrebs über alle Tumorstadien auf nahezu 40 Prozent erhöht und damit verdoppelt werden.