Leidet ein Mensch unter einem zu niedrigen Natriumspiegel im Blut, sprechen Mediziner von einer Hyponatriämie. Das Ungleichgewicht der Flüssigkeiten im Körper verursacht Erinnerungslücken und Schwindel – Symptome, die schnell zur Fehldiagnose Demenz führen. Eine einfache Untersuchung gibt Aufschluss und kann die Patienten davor bewahren, für dement erklärt zu werden.
Der normale Natriumgehalt pro Liter Blut liegt zwischen 136 und 145 Millimol. Enthält das Blut zu wenig Natrium, ist demgegenüber der Natriumanteil in den Hirnzellen erhöht. „Um dieses Ungleichgewicht zu relativieren, strömt Flüssigkeit aus dem Blut in die Hirnzellen. Der knöcherne Schädel hindert die Zellen jedoch daran, sich auszudehnen. Um den fatalen Druckanstieg im Gehirn auszugleichen, verlieren die Gehirnzellen sogenannte Osmolyte wie Glutamin, Glutamat und Taurin. Der chronische intracerebrale Mangel dieser Aminosäuren wiederum kann eine Vielfalt von Symptomen, wie beispielsweise Verwirrtheit und Schwindel, auslösen“, erklärt Professor Dr. Joachim Beige, Chefarzt der Abteilung Nephrologie im Klinikum St. Georg. Circa 50 Fälle von Hyponatriämie diagnostiziert der 51 jährige Spezialist jährlich.
Im jüngsten Fall klagte eine 75-Jährige seit drei Monaten über Erinnerungslücken und Schwindel. Da sich ihr Zustand stetig verschlechterte, brachten Angehörige sie in die Notaufnahme des Klinikums St. Georg. Nach einer routinemäßigen Blutabnahme wurde sie in die Abteilung Nephrologie verlegt, wo zunächst neurologische Untersuchungen durchgeführt wurden – ohne Ergebnis. Schließlich verhärtete sich der Verdacht einer Hyponatriämie. Ein Blutnatriumtest bestätigte den Verdacht: die Laborergebnisse ergaben einen Natriumgehalt von 122 Millimol pro Liter.
Die Ursachen für Natriummangel sind vielfältig. So können beispielsweise verschiedene Krankheiten, unentdeckte hormonbildende Tumore oder Medikamente zu Natriumverlust führen. Bei Sportlern kann sogar die vermehrte Flüssigkeitszufuhr eine Hyponatriämie verursachen. Im Falle der Patientin waren harntreibende Tabletten der Auslöser, die sie aufgrund ihres Bluthochdrucks einnahm. „Ein Absetzen der Tabletten war keine Option. Deswegen bedienten wir uns eines biochemischen Tricks. Wir verabreichten der Dame Harnstoffpulver – es erhöht die Ausscheidung von Wasser aus dem Körper, welches nicht natriumhaltig ist. Bereits nach nur einem Tag war die Patientin praktisch schwindelfrei und geistig wieder klar“, erklärt der Chefarzt die Behandlungsmethode.
Neben der medikamentösen Behandlung von Natriummangel sollten Betroffene zusätzlich darauf achten, natriumarme Getränke wie Leitungswasser und Tee zu meiden und lieber zu mineralhaltigen Getränken zu greifen. Zudem sollte der Natriumwert regelmäßig vom Arzt kontrolliert werden.
Im dem von Professor Beige beschriebenen speziellen Fall haben die Diagnose und Behandlung der Hyponatriämie die 75-Jährige vor einem Umzug in betreutes Wohnen bewahrt. „Ich plädiere dafür, den Blutnatriumtest bei älteren Menschen häufiger anzuwenden und vor allem richtig zu interpretieren. Für die Betroffenen geht es oft um ihre Eigenständigkeit. Da sind die 25 Cent, die der Test kostet, doch gut investiert“, betont der Chefarzt.