Besser, wenn er ruhig bleibt
Defibrillatoren, kurz Defis, können Leben retten. Es gibt sie als stationäre oder als implantierbare Geräte. Letztere werden vor allem Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Sie entscheiden im Ernstfall über Leben und Tod. Die Geduld von Karl-Heinz Sturm hat der kleine Lebensretter eine Zeit lang sehr herausgefordert.
Es ist der 23. Dezember, ein Tag vor Weihnachten. Karl-Heinz Sturm, 72 Jahre, freut sich auf das Fest im Kreise seiner Familie. Zu Weihnachten sind alle zu Hause und es soll besinnlich werden. Mit seiner Frau wohnt er in einer Erdgeschosswohnung in Leipzig Eutritzsch. Liebevoll kümmert er sich gerade um seinen Hund, als es plötzlich passiert. Drei oder vier heftige Schläge erschüttern seinen Oberkörper. „Es war, als hätte mir einer in die Brust geschossen“, erinnert sich der Rentner. Er fällt zu Boden. Seine Frau stürmt herein, weiß nicht, was sie tun soll und ruft den Rettungsdienst. Es folgen drei weitere Schläge. „Da kamen kleine blaue Flammen aus meiner Schulter, hat mir meine Frau erzählt.“ Der Rettungsdienst bringt Karl-Heinz Sturm direkt zur Kontrolle in die Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin des Klinikums St. Georg. Die Ärzte prüfen den Defibrillator und stellen keine Unregelmäßigkeiten fest. Er tut, was er tun soll, indem er bei Herzkammerflattern oder -flimmern einen elektrischen Impuls auslöst. Herr Sturm wird entlassen, kommt aber nicht weit.
Die Ursache ist zunächst unklar
„Kurz vor dem Schlagbaum an der Ausfahrt des Klinikums drückten mich weitere Schocks auf den Asphalt. Da haben wir gleich kehrtgemacht und sind zurück auf die Intensivstation.“ Dort wird er eingehend untersucht. Das Gerät in seiner Brust wird erneut geprüft. Abends setzt er sich in seinem Krankenbett zum Abendbrot auf und der Defi schlägt wieder zu, so heftig, dass er das Besteck nicht halten kann. Es ist klar, dass der Defi ihm bei jedem Auslösen das Leben rettet. Medikamente gegen die Herzrhythmusstörungen sollen als konservative Methode weitere Auslöser des Defis vermeiden. Die Experten hoffen, dass ein invasiver Eingriff auf diese Weise vermeidbar ist. „Die Angst vor dem nächsten Schock kann ich kaum beschreiben. Man horcht die ganze Zeit in sich hinein und wartet, dass was passiert. An Schlaf war da kaum zu denken.“ Auch seine Frau ist ständig in Sorge. Sie hat ihn schon vor ein paar Jahren nach einem schweren Herzinfarkt reanimieren müssen, bis der Notarzt kam. Eine ganze Woche lang lag er damals im Koma. „Nur bei einem von 500 bleibt so etwas ohne Folgen. Da hab ich richtig Schwein gehabt“, erinnert sich Karl-Heinz Sturm. Zwei Tage später im Wartezimmer seines Hausarztes passiert es wieder. Der Herzrhythmus setzt für Herrn Sturm unbemerkt aus, aber erneut springt der Defibrillator an. „Die Schläge kommen aus heiterem Himmel. Man verliert sämtliche Kontrolle, hat Angst, sich mit Menschen zu treffen oder überhaupt vor die Tür zu gehen.“
Endlich ein Ende in Sicht
Da die konservative Behandlung mit Medikamenten nicht anschlägt, entschließen sich die Ärzte, Anfang Januar Herrn Sturm stationär aufzunehmen. „Uns war klar, dass wir die Rhythmusstörung jetzt invasiv angehen müssen. Das heißt, wir haben zunächst eine sogenannte elektrophysiologische Untersuchung mit „EKG von innen“ gemacht, um den Mechanismus der Rhythmusstörung identifizieren zu können“, erklärt Chefarzt PD Dr. med. habil. Norbert Klein. Dass Herr Sturm unter einer sogenannten ischämischen Kardiomyopathie leidet, war bekannt. Das Herzmuskelgewebe der linken Herzkammer ist im Bereich des vor langer Zeit stattgehabten Infarktes stark vernarbt. Das ist die Hauptursache für die lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen. „Diese Narben muss man identifizieren und dann ganz gezielt elektrische Kreiserregungen, die sich darum ergeben, behandeln“, führt Dr. Klein weiter aus. „Wir haben uns eine Ablationsstrategie überlegt. Dabei werden kranke Leitungsbahnen mithilfe eines Katheters verödet.“ Die elektrischen Fehlleitungen werden also mit einer Ablation unterbrochen, der Rhythmusstörung wird das Substrat entzogen und sie wird in der Folge nicht wieder auftreten. Das Herz schlägt wieder normal und der Defibrillator bleibt ruhig und übernimmt wieder seine Aufgabe als Wächter.
„Es war, als hätte mir einer in die Brust geschossen.”
Hand ans Herz legen
Karl-Heinz Sturm erinnert sich genau an die Operation. Er wird nur örtlich betäubt und ist die ganze Zeit bei Bewusstsein. „Ich konnte faktisch zuschauen. Es fühlt sich komisch an, wenn man wach ist und jemand fummelt einem am Herzen herum.“ Während der Ablation spürt er die kleinen Schläge des Verödungskatheters als leichtes Zucken oder Ziehen. Damit er sich nicht aus Versehen unkontrolliert bewegt, wird er während der OP fixiert. Nach der Operation wird Herr Sturm noch zwei Tage stationär überwacht und danach entlassen. Der Defi schweigt seitdem und der Rentner hat seinen Lebensmut zurück. Der gebürtige Leipziger ist seit 45 Jahren mit seiner Frau verheiratet und wünscht sich, mit ihr zusammen noch die Goldene Hochzeit gemeinsam mit der Familie zu erleben.