Der Darm

Mehr als ein Verdauungsorgan

Mit einer Länge von bis zu acht Metern ist der Darm das größte innere Organ des Menschen. Im Laufe eines 75-jährigen Lebens gelangen rund 30 Tonnen Nahrung und 50.000 Liter Flüssigkeit durch den Darm. Doch neben der Verdauung und Ausscheidung kommt dem Darm noch eine weitere wichtige Aufgabe zu: die körpereigene Immunabwehr.

Mehr als 70 Prozent aller Immunzellen befinden sich im Darm – damit bildet er das Zentrum unseres Immunsystems. Ist die Darmfunktion geschädigt, wirkt sich dies folglich auf den ganzen Körper aus. Tatsächlich kämpfen heutzutage viele Menschen mit Darmbeschwerden. Diese reichen von Übelkeit über Durchfall und Erbrechen bis hin zu chronisch-entzündlichen Krankheiten wie Morbus Crohn. Begünstigt werden diese durch eine zunehmend ungesunde Lebensführung: tägliches Sitzen über mehrere Stunden im Büro, Fast Food und wenig Bewegung sowie allgemeiner Stress.

Neben den Immunzellen besiedeln Billionen von Mikroorganismen den menschlichen Darm, Forscher gehen von rund 400 Bakterienstämmen aus. Die Besiedlung beginnt mit der Geburt und steigt mit zunehmenden Alter stetig an. Ein großer Teil der Bakterien wird für die Verdauung benötigt, sie entziehen den Speisen lebenswichtige Nährstoffe. Die Zusammensetzung der sogenannten Darmflora ist von Mensch zu Mensch verschieden und hängt von der Lebensweise, den Essgewohnheiten und vielem mehr ab. Das bakterielle Ökosystem bildet außerdem eine natürliche Barriere gegen Toxine, Viren und andere schädliche Stoffe und verhindert, dass diese ins Blut gelangen. Gelangt dieses empfindliche Milieu ins Ungleichgewicht, kann dies fatale Folgen für die Gesundheit haben. Forscher haben inzwischen sogar nachgewiesen, dass es zwischen der Zusammensetzung der Darmflora und Erkrankungen des Gehirns eine Verbindung gibt, so konnte bei Menschen mit Multipler Sklerose beispielsweise eine deutlich geringere Bakterienvielfalt im Darm nachgewiesen werden als bei gesunden Menschen.

Darmkrebs – heimtückische Krankheit

Auch bei Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Darmkrebs, von Medizinern kolorektales Karzinom genannt, wurde eine weniger vielfältige Darmbesiedlung festgestellt. In welchem kausalen Zusammenhang Krebserkrankung und Ungleichgewicht der Darmflora stehen ist jedoch noch nicht geklärt.

Auch die Ursachen für die Entstehung von Darmkrebs konnten Mediziner und Forscher noch nicht vollumfänglich klären. Fakt ist jedoch: Darmkrebs gehört sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu den häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Mehr noch: „Darmkrebs gehört mit rund 26.000 Todesfällen jährlich zu den gefährlichsten Krebsarten. Dabei ist die Erkrankung, sofern sie frühzeitig erkannt wird, sehr gut behandelbar. Deswegen raten wir Männern und Frauen ab 50 Jahren dringend dazu sich in regelmäßigen Abständen einer Koloskopie – einer Darmspiegelung – zu unterziehen“, erklärt Professor Dr. Ingolf Schiefke, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, und Leiter des Darmkrebszentrums am Klinikum St. Georg.

Die häufigsten Formen von Darmkrebs sind das Rektumkarzinom im Mastdarm und das Kolonkarzinom in höher gelegenen Abschnitten des Dickdarms. Sie entwickeln sich dann, wenn Zellen in der Schleimhaut des Dickdarms entarten und sich unkontrolliert teilen. Die Umwandlung von gesunden Darmzellen in Krebszellen erfolgt häufig über gutartige Vorstufen, die so genannten Darmpolypen – kleine, gutartige Vorwölbungen in der Darmschleimhaut. In selteneren Fällen ist die Zellveränderung erblich bedingt.

Das Problem: „Darmkrebs verursacht im Frühstadium meist keine Beschwerden. Die Wucherungen können über mehrere Jahre ungehindert wachsen. Erste Warnzeichen wie zum Beispiel Blut im Stuhl treten meist erst in einem späten Stadion der Erkrankung auf“, erklärt Professor Dr. Ingolf Schiefke, der sich seit vielen Jahren vor allem auf dem Bereich der Darmkrebsvorsorgeuntersuchungen engagiert. Die Früherkennung ist deshalb eine der wichtigsten Waffen im Kampf gegen den Darmkrebs. Doch auch eine gesunde Lebensweise tragen zu einer Verminderung des Risikos bei. „Regelmäßige Bewegung gehört neben gesunder Ernährung und einem gesunden Körpergewicht zu den wichtigsten Faktoren, um Darmkrebs vorzubeugen“, weiß der Experte.

Ist die Diagnose Darmkrebs gesichert, gibt es – je nach Stadium und Sitz des Tumors – unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten. Im Frühstadium kann der Krebs meist operativ komplett entfernt werden. Hat sich der Krebs bereits auf umliegende Organe ausgeweitet oder sind Lymphknoten betroffen, kommen begleitend Chemotherapie oder Bestrahlung dazu. Das Darmkrebszentrum am Klinikum St. Georg Leipzig bündelt die Erfahrungen und Kompetenzen der Fachbereiche Gastroenterologie, Chirurgie, Onkologie, Strahlentherapie, Radiologie und Pathologie im ambulanten und stationären Bereich auf diesem Gebiet, um so eine optimale Versorgung der Patienten zu ermöglichen. Die medizinischen Experten erstellen in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit einen individuellen Behandlungsplan. In wöchentlichen Tumorkonferenzen erfolgt zudem eine qualitätsgerechte Abstimmung. Für die optimale Betreuung der Patienten im Darmkrebszentrum stehen zudem Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Sozial- und Pflegedienste, Psychoonkologen sowie Selbsthilfegruppen zur Verfügung.