Kleiner Mann auf großer Reise

Mit dem Baby-Notarztwagen ins Leben

Dr. med. Silke Hennig, Leitende Oberärztin der Neonatologie

© Klinikum St. Georg

Geburten lassen sich nicht planen – das weiß das Team der Neonatologie am Klinikum St. Georg nur zu gut. Als eines Tages das Telefon klingelte, war klar: Es muss schnell gehen. In einer Geburtsklinik in einer nordsächsischen Stadt war ein kleiner Junge in der 34. Schwangerschaftswoche per Not-Kaiserschnitt zur Welt gekommen. Trotz Infusion und Atemhilfe blieb sein Zustand kritisch. Die Lunge – bei Frühgeborenen häufig das unreifste Organ – bereitete ihm große Probleme.

Das Leipziger Neonatologie-Team wurde gerufen. Mit dem Baby-Notarztwagen „Felix“, einem speziell ausgestatteten Fahrzeug für Früh- und Neugeborene, fuhren sie rund 55 Kilometer in die Geburtsklinik. Dort wartete der kleine Patient bereits mit seinen Eltern. Noch vor Ort erhielt er ein Medikament zur Unterstützung der Lungenentfaltung – aus dem Notarzt-Rucksack. Für den Transport nach Leipzig wurde der Junge kurzzeitig beatmet. Seine erste große Reise – etwas länger als ein Marathon – verschlief das knapp zwei Kilogramm schwere Frühgeborene.

In Leipzig angekommen, konnte die Beatmung schon bald beendet werden. Seine Mutter durfte mit auf die Station ziehen, um ihm nah zu sein. „Kuscheln, Nähe geben, Känguruhen – all das unterstützt die Genesung“, erklärt Dr. Silke Hennig, Oberärztin der Neonatologie. Beim Känguruhen liegt das Baby nur mit einer Windel bekleidet auf der nackten Brust von Mutter oder Vater – der direkte Hautkontakt stärkt die Bindung, stabilisiert Atmung und Temperatur und wirkt beruhigend auf das Kind.

Eine Ärztin macht einen Ultraschall an einem Neugeborenen.

© Klinikum St. Georg

Auf der Nachsorgestation lernte das Baby zu trinken – eine Herausforderung für viele Frühgeborene. Gleichzeitig bereiteten sich die Eltern mit Unterstützung des Teams auf die selbstständige Versorgung vor: füttern, wickeln, beruhigen. Drei Wochen nach der Geburt durfte der Junge nach Hause – seine zweite große Reise.

„Diese Geschichte steht stellvertretend für viele unserer kleinen Patienten“, so Dr. Hennig. „Als spezialisiertes Perinatalzentrum können wir Frühgeborene ab der 29. Woche oder ab 1.250 Gramm versorgen. Mit dem Baby-Notarztwagen sind wir rund um die Uhr einsatzbereit – Hilfe kennt keine Uhrzeit.“ Besonders bewegend war für das Team der Moment, als die Mutter ihren Sohn erstmals auf der Intensivstation im Arm hielt. „Diese Augenblicke zeigen, wie wichtig es ist, Eltern früh einzubeziehen“, sagt Dr. Hennig. „Eine Intensivtherapie heißt bei uns nicht, dass Eltern außen vor bleiben – im Gegenteil: Sie sind Teil des Behandlungsteams.“ Ob Stillberatung, Kuschelzeiten oder begleitende Gespräche – viele Wege stärken die Bindung zwischen Eltern und Kind. Und oft hinterlassen Familien am Ende eine persönliche Spur: eine Erinnerungstafel mit einem Gruß und dem kleinen Fußabdruck ihres Kindes. Eine liebevolle Tradition, die die Wände der Station nach und nach in eine bunte Galerie voller Hoffnung verwandelt.“ ■