Burnout & Boreout – Krank durch Fehlbelastung

September 20, 2018
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Auf den ersten Blick sind Burnout und Boreout kaum zu unterscheiden: Betroffene werden meist von einem quälenden Gefühl der Leere geplagt, das sich zunächst auf ihren Joballtag und später auf ihr ganzes Leben beziehen kann. Beiden Stress-Syndromen liegt ein Missverhältnis zwischen dem Arbeitsaufkommen und den individuellen Fähigkeiten zugrunde.

Die Patienten, die in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Fachkrankenhaus Hubertusburg mit Burnout behandelt werden, leiden zumeist unter einer ausgeprägten Erschöpfung. Sie sind „ausgebrannt“, wie es der englische Begriff so treffend beschreibt. Was vielfach mit einer verminderten Belastbarkeit, Rastlosigkeit und Stimmungslabilität beginnt, führt im Laufe der Zeit häufig zu Schlafstörungen, Infektanfälligkeit und Kraftlosigkeit. „Die Motivation liegt darnieder, ebenso die Kreativität und Gedächtnisleistung“, erklärt Chefarzt Dr. Peter Grampp. Die Toleranzgrenze für Frustration ist meist herabgesetzt, während die Empfindlichkeit gegenüber Misserfolgen und Kränkungen zunimmt, die nun als persönliche Niederlagen empfunden werden. Bei vielen Patienten hat dies Konflikte am Arbeitsplatz sowie im sozialen Umfeld zur Folge. Nach außen geben sie sich oftmals lethargisch, während sie innerlich angespannt, teilweise sogar aggressiv sind. „Das Leben und nicht nur die Arbeit wirken auf die Betroffenen öd und leer.“ Einige versuchen, dieses Gefühl mit Beruhigungsmedikamenten oder Suchtmitteln wie Nikotin oder Alkohol zu betäuben. Hinzu kommen meist körperliche Beschwerden, wie Herz-Kreislauf-Probleme, Tinnitus, Kopf-, Rückenoder Bauchschmerzen.

„Die Symptome des Burnouts decken sich erheblich mit denen der Depression“, weiß Dr. Peter Grampp. Dies gelte auch für Diagnose- und Therapieverfahren. Deshalb wird Burnout von vielen Wissenschaftlern auch als Ausdrucksform einer depressiven Verstimmung und nicht als eigenständige Krankheit angesehen. Bis heute stellt er keine eigene Diagnose dar, sondern wird in der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD-10) lediglich den Faktoren zugeordnet, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen.

Statistisch gesehen trifft es vor allem Männer mittleren Alters, zwischen 50 und 55 Jahren, die oftmals unter Leistungsdruck und Kündigungsangst stehen. Das Stress-Syndrom tritt zudem vermehrt bei Angehörigen der helfenden Berufe auf, so zum Beispiel bei Ärzten, Krankenpflegern oder Sozialarbeitern. Permanenter Zeitdruck, hohe Arbeitsanforderungen und/ oder viel Verantwortung können aber auch bei leitenden Managern oder Supermarkt-Angestellten zu Überforderung führen. Ein gutes Drittel der Patienten, die sich im Fachkrankenhaus Hubertusburg mit Depressionen, Anpassungs- oder Angststörungen vorstellen, entspricht einer Burnout-Symptomatik, wobei regelmäßig eine ganz andere Erkrankung als Ursache ausgemacht werden kann. Manchmal entpuppt sich ein vermeintlicher Burnout auch als eigentlicher Boreout, der mit übertriebener Geschäftigkeit zu vertuschen versucht wurde.

Der Boreout stellt das Gegenstück zum Burnout dar: Er wird nicht durch Überforderung, sondern durch Unterforderung hervorgerufen. Der Begriff leitet sich vom englischen „boredom“ für „Langeweile“ her. Auch hier geht die Belastung in der Regel vom Arbeitsplatz aus. „Die Art eines Stressereignisses hängt nicht von der Leistungsanforderung ab. Auch die Situation, permanent nur Fließbandarbeit oder gar Leerlauf im Beruf kompensieren zu müssen, führt zu einem Unwertgefühl, das in der Folge kaum vom Burnout zu unterscheiden ist“, erklärt Chefarzt Dr. Peter Grampp. Für beide Erkrankungen gilt, dass Betroff ene einen anderen Umgang mit sich selbst erlernen müssen und die Lösung nicht in einem Jobwechsel sehen dürfen. Ohne Ursachenbekämpfung ist keine Besserung zu erwarten und ein erneuter Absturz meist umso heftiger. Der erste Schritt der Behandlung besteht in der Entzerrung des Blicks auf sich selbst und das Umfeld. Daran können sich eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung anschließen. Als hilfreich gelten zum Beispiel Gruppentherapien, Achtsamkeitsübungen oder ergotherapeutische Verfahren wie kunst-, musik- oder tiergestützte Therapien. „Es geht vor allem darum, einen Realbezug zu den eigenen Fähigkeiten und Schwächen zu schaff en und dadurch Stabilität und Gelassenheit zu erarbeiten“, betont Dr. Peter Grampp. Die Behandlung erfolgt meist ambulant oder zumindest teilstationär und hat die Wiedereingliederung in das Sozial- und Arbeitsleben zum Ziel.

 

Selbsttest – Bin ich Burnout- oder Boreoutgefährdet?

Wenn Sie mehrere Fragen mit „Ja“ beantworten, besteht die Möglichkeit, dass Sie burnout- beziehungsweise boreoutgefährdet sind. Der Test kann die ärztliche Diagnose jedoch nicht ersetzen. Entscheidend ist, ob Sie unter der Situation leiden oder sich insgesamt wohlfühlen.

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