Chronische Schmerzen – wenn der Kopf zu explodieren droht

September 20, 2018
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Jeder kennt sie und jeder hatte sie mindestens schon einmal in seinem Leben: Kopfschmerzen. In der Regel verschwindet der Schmerz nach ein paar Stunden wieder. Kehrt er aber über einen längeren Zeitraum immer wieder, sprechen Experten von chronischen Kopfschmerzen. Millionen von Menschen in Deutschland leiden unter anfallartigen oder chronischen Kopfschmerzen. Das wird für Betroffene oft zur qualvollen Zerreißprobe.

Dabei ist Kopfschmerz nicht gleich Kopfschmerz. Experten unterscheiden über 200 verschiedene Formen. „Der Spannungskopfschmerz und die Migräne sind die beiden häufigsten Arten von chronischen Kopfschmerzen, wobei der Spannungskopfschmerz die Migräne noch bei weitem übertriff t“, weiß Dr. Carsten Funke, Leitender Oberarzt des Schmerzzentrums am Klinikum St. Georg. Von chronischen Kopfschmerzen sprechen Experten, wenn ein Kopfschmerz anhaltend auftritt oder episodisch mehrmals im Monat wiederkehrt. Spannungskopfschmerzen haben einen drückend-ziehenden Charakter und können zwischen 30 Minuten und sieben Tagen andauern. „Die Migräne tritt plötzlich und attackenartig auf und hält meist etwa zwei Tage an. Einhergehend mit Lichtempfindlichkeit und Übelkeit wirft sie Betroffene in dieser Zeit meist völlig aus dem Leben“, erklärt Dr. Funke. „Tendenziell sind Frauen häufiger als Männer betroffen, sowohl von Kopfschmerzen als auch von Migräne. Bei der Migräne wissen wir, dass diese auch prämenstruelle Ursachen haben kann. Alles andere ist noch nicht hinreichend erforscht.“

Patienten mit chronischen Schmerzen haben einen enormen Leidensdruck, der sich auf ihr gesamtes Leben auswirkt. Wer mehrere Tage im Monat krank ist, gefährdet seinen Arbeitsplatz. Auch auf die partnerschaftliche Beziehung und die soziale Integration kann sich die Erkrankung auswirken – wer mehrfach wegen Kopfschmerzen Verabredungen absagt, wird irgendwann nicht mehr gefragt. „Das ist ein Teufelskreis für die Betroffenen, mit dem sich diese aber nicht abfinden sollten. Auch wenn Migräne nicht heilbar ist, gibt es Mittel und Wege, eine Reduktion der Häufigkeit und der Schwere herbeizuführen. Chronische Kopfschmerzen, wie der Spannungskopfschmerz, sind in vielen Fällen sogar heilbar, aber in jedem Fall können wir Verbesserungen herbeiführen“, weiß der Experte.

Hilfreich ist es, als Betroffener ein Kopfschmerztagebuch über drei Monate zu führen und genau festzuhalten, wann die Kopfschmerzen in welcher Intensität – auf einer Skala von eins bis zehn – aufgetreten sind und in welchen Situationen. Wurden zu dem jeweiligen Zeitpunkt beispielsweise bestimmte Medikamente eingenommen oder hatte man die Kopfschmerzen immer nur am Wochenende? „Am Anfang steht die Diagnostik mit Hilfe von bildgebenden Verfahren und damit das Ausschließen von anderen Krankheiten, die Ursache für die Schmerzen sein können. Wenn der Patient nicht bereits schon ein Kopfschmerztagebuch geführt hat, soll er dies in einem zweiten Schritt für drei Monate dokumentieren. Danach erfolgt eine gemeinsame Auswertung mit dem Arzt. Die Häufigkeit der Sitzungen ist therapiestandabhängig“, erläutert Dr. Funke. „Bei Migräne kann beispielsweise auch prophylaktisch mit Beta-Blockern gearbeitet werden. Zudem ist eine ganzheitliche Betrachtung auch psychischer Stressauslöser wichtig. Ebenso spielt dabei die Prophylaxe eine große Rolle. Dazu raten wir den Betroffenen, sich einmal mindestens eine halbe Stunde lang am Stück sportlich zu betätigen – Schwimmen oder Joggen eignen sich dafür hervorragend.“

Die Behandlung am Schmerzzentrum des St. Georgs basiert auf drei Säulen: der Ambulanz, der stationären Klinik und der Tagesklinik. Die Ambulanz ist erste Anlaufstelle für Patienten mit akuten und chronischen Schmerzen. Leiden die Patienten unter chronischen Schmerzen, erfolgt in der Ambulanz die Einschätzung und Abklärung dieser. „Wir untersuchen alle Patienten ausführlich und prüfen gleichzeitig, ob sie für eine Therapie in der Tagesklinik geeignet sind,“ erklärt Dr. Carsten Funke. Der Vorteil der tagesklinischen Behandlung ist, dass die Patienten abends und am Wochenende zu Hause sind. Sie finden schneller wieder in den Tagesrhythmus, da die Struktur dem Alltag ähnelt. Voraussetzung ist, dass die Schmerzgeplagten selbstständig in die Tagesklinik kommen können, der Anfahrtsweg sollte nicht länger als 30 Kilometer sein. „Alle Schmerzbetroffenen, die weiter weg wohnen, sowie ältere, geschwächte oder medikamentenabhängige Patienten behandeln wir stationär“, so der Facharzt.

Die Therapie in der Tagesklinik erfolgt vier Wochen am Stück. Die Behandlung ist individuell auf die jeweilige Person abgestimmt und deckt verschiedene Bereiche ab. Neben Sport sind ein schmerzpsychologischer Ansatz, Verhaltens- und Alltagstraining sowie Entspannungsübungen Teile der Therapie. Ausschlaggebend ist die Vernetzung der verschiedenen Maßnahmen, da bei chronischen Schmerzen körperliche, psychische und soziale Faktoren ineinander übergehen. Nur durch die ganzheitliche Herangehensweise kann den Patienten ein Stück Lebensqualität zurückgegeben werden.

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