Kinder schützen

Juli 14, 2015
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Väter und Mütter stärken

Das Familienleben ist enorm beeinträchtigt, wenn ein Elternteil psychisch erkrankt ist. In Leipzig leiden etwa 65.000 Kinder darunter. Bundesweit gibt es rund drei Millionen betroffene Söhne und Töchter. Sie sind meist überfordert und müssen viel zu früh Verantwortung übernehmen. Ein unbeschwertes Kindsein scheint für sie unerreichbar. Die Kinder schämen sich für die Eltern und haben oft Schuldgefühle, sodass sie sich von Gleichaltrigen zurückziehen.

Aber auch für Mütter und Väter mit psychischen Erkrankungen wie Essstörungen, Zwängen oder Depressionen ist die Situation nicht leicht. „Ein Problem ist, dass psychische Störungen nicht ad hoc auftreten, sondern sich schleichend anbahnen“, weiß Monika Schöpe vom WEGE e.V. – Verein Angehöriger und Freunde psychisch Kranker. „So werden sie oft von den Betroffenen selbst erst sehr spät erkannt und noch viel später als solche anerkannt.“ Die Erkrankung wird vor sich selbst und vor seinen Mitmenschen lieber verborgen, weil Vorurteile nach wie vor keine Seltenheit sind.

„Handelt es sich dann noch um junge Mütter oder Väter, kommt die Belastung durch das Kind hinzu“, betont Monika Schöpe. „Die Unsicherheit wächst, wenn die Kraft zur Versorgung des Nachwuchses nicht ausreicht.“ So erging es auch Suraya, einer jungen Mutti von 19 Jahren. Ihre Tochter Saphira wurde am 13. Januar 2015 geboren. Aufgrund ihrer damaligen Depressionen traute sie es sich nicht zu, allein für das Kind zu sorgen. Aber sie wollte es von Anfang an schaffen. Es in der Krankheitsphase allein zu bewältigen, schien ihr nicht möglich.

Hilfe zur Selbsthilfe bot sich durch den WEGE e. V. an. Mit seinen vielen ambulanten und stationären Hilfsprojekten wurde auf dem Gelände der Lützner Straße 75 im Westen von Leipzig ein deutschlandweit einmaliges Projekt – die „Lebensräume zur Bewältigung seelischer Krisen“ – verwirklicht. Das Familienhaus WEGE gehört seit Anfang des Jahres dazu. Als erste Bewohnerin erfüllte die hochschwangere Suraya das neue Haus mit Leben. Weitere junge ElternteiScreenshot 2015-07-14 15.52.55le folgten. Heute ist das Haus, das insgesamt elf Mütter beziehungsweise Väter mit ihren Kindern aufnehmen kann, fast voll belegt. In einer Wohneinheit leben zwei Mütter/Väter mit Kind oder eine Mutter/Vater mit mehreren Kindern zusammen. Sie teilen sich Wohnküche, Flur und Bad und mehrere Gemeinschaftsräume. Es wird gemeinsam gekocht, gebacken und gegessen. Der Spielplatz grenzt unmittelbar an das Wohnhaus und ist beliebter Tummelplatz – nicht nur für die Kleinen. Bei schlechtem Wetter können die jüngsten Bewohner im Spielesaal innerhalb des Hauses spielen.

„Ab 2016 möchte ich das Fachabitur für Soziales machen und zeitnah eine eigene Wohnung mieten“, berichtet Suraya über ihre Pläne und schaut glücklich aus. Sie ist dankbar für die Hilfe und Geborgenheit im Familienhaus und vor allem für das Miteinander: „Es ist beruhigend zu wissen, dass jemand da ist, wenn ich Unterstützung brauche.“

Behutsam, aber auch beharrlich fördern die Mitarbeiter des Familienhauses die Selbständigkeit der Bewohner. Über die Fortschritte ihres Schützlings Suraya freuen sich Monika Schöpe und Jan Roscher, Leiter des Hauses. Sie raten ihr aber auch, nichts zu überstürzen. „Suraya soll sich die Zeit nehmen, die sie braucht“, so Jan Roscher.

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