Professor Dr. Ingolf Schiefke im Interview – Morbus Crohn – Ein Fall für die Gastroenterologie

September 20, 2018
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Bis zu 470.000 Patienten leiden in Deutschland unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung – Morbus Crohn ist eine der häufi gsten. Sie kann im Prinzip in jedem Abschnitt des Verdauungstraktes auftreten: Angefangen beim Mund über den Magen bis hin zum Darmausgang. Meist ist das Ende des Dünndarms oder der obere Abschnitt des Dickdarms betroff en. Die Erkrankung macht sich überwiegend in jungen Jahren bemerkbar, wobei die Ursachen nicht abschließend geklärt sind.

 

Bei Morbus Crohn können sich alle der Schichten der Darmwand entzünden, was im Krankheitsverlauf zu Verdickungen und Engstellen führen kann. „Die Patienten haben wässrige, zum Teil auch schleimige Durchfälle, die für mehrere Wochen anhalten und von Fieber begleitet werden können“, erklärt Prof. Dr. Ingolf Schiefke, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie und Endokrinologie am St. Georg. „Hinzu kommen oft heftige Bauchschmerzen, die Patienten mitunter als krampfartig beschreiben. Sie treten in vielen Fällen im rechten Unterbauch auf, da sich dort der vorrangig befallene Darmabschnitt befindet“. Dies geht häufig mit Appetitlosigkeit und einem ungewollten Gewichtsverlust einher. Auch eine chronische Müdigkeit und Entzündungen außerhalb des Verdauungssystems, zum Beispiel an Knie- und Sprunggelenk, Haut und Augen, deuten auf Morbus Crohn hin. Während einige Patienten nur leichte Symptome verspü- ren, können andere unter starken Beschwerden leiden. Die Krankheit verläuft in Schüben, sodass es zwischendurch beschwerdefreie Phasen geben kann.

Die Mehrzahl der Patienten erkrankt zwischen dem 15. und dem 35. Lebensjahr, wobei 20 bis 30 Prozent der Betroffenen bei Diagnosestellung jünger als zehn Jahre sind. Grundsätzlich kann Morbus Crohn aber auch ältere Menschen treffen. „Die genauen Ursachen sind bis heute weitgehend unbekannt, wahrscheinlich wirken mehrere Faktoren zusammen. Dazu zählen erbliche Veranlagung, Infekte und Lebensstil“, führt Prof. Dr. Schiefke aus. Eine Schlüsselrolle kommt der Darmschleimhautbarriere zu. „Ist diese gestört, können beispielsweise Bakterien ungehindert eindringen und einen Infekt auslösen. Das Immunsystem reagiert mit einer Abwehrreaktion in Form einer Entzündung. Normalerweise wird das Immunsystem nach erfolgreicher Abwehr wieder heruntergefahren. Bei Morbus Crohn klingt der angestoßene Entzündungsprozess aber nicht mehr ab, sondern wird immer weiter vorangetrieben.“

Die Diagnostik im St. Georg beruht auf fünf Säulen. Der Facharzt befragt den Patienten zunächst nach seiner Krankheitsgeschichte und durchleuchtet dabei auch das familiäre Umfeld. Anschließend tastet er den Bauch auf Verhärtungen und Schmerzpunkte ab. Es folgen Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren und Gewebeproben. Stuhl- und Blutproben liefern Hinweise auf Entzündungsvorgänge im Körper und das Blut gibt außerdem Aufschluss über Blutarmut und Nährstoffmängel, welche die Krankheit nach sich ziehen kann. „Zu den bildgebenden Verfahren zählen Röntgenuntersuchungen, Ultraschall, eine Magnetresonanz- und Computertomographie (MRT) und eventuell eine Videokapsel-Endoskopie. Eine Endoskopie mit Gewebeentnahme wird immer durchgeführt, da sie uns die typischen mikroskopischen Veränderungen des Darmes anzeigt“, erläutert Prof. Dr. Schiefke.

Obwohl Morbus Crohn nicht geheilt werden kann, lassen sich die Entzündungen jedoch mit speziellen Medikamenten eindämmen. Die Wirkstoff e richten sich nach der Schwere der Erkrankung und danach, welcher Abschnitt des Magen-Darm-Traktes betroff en ist. Als Langzeittherapie kommen zum Beispiel Medikamente infrage, die das Überreagieren des Immunsystems verhindern. Es ist allerdings nicht immer notwendig, den Krankheitsverlauf dauerhaft zu kontrollieren. „Einige Patienten benötigen nur in der aktiven Krankheitsphase medikamentöse Unterstützung“, weiß Prof. Dr. Schiefk e. Bei akuten Schüben helfen entzündungshemmende und schmerzlindernde Mittel. Wenn es zu Komplikationen, wie Fisteln oder Abszessen, im Darm kommt, bleibt den Betroff enen manchmal eine Operation nicht erspart.

Die Therapie des Morbus Crohn zielt also zum einen darauf ab, die akuten Symptome zu lindern, und zum anderen, die Zahl der Schübe zu verringern. „Eine spezielle Diät bei Morbus Crohn gibt es nicht. Die richtige Ernährung kann die Beschwerden allerdings positiv beeinflussen“, erläutert Prof. Dr. Schiefke. Patienten erhalten hierzu eine Beratung. Wer mit dem Rauchen aufhört, kann das Risiko für einen erneuten Morbus-Crohn-Schub um die Hälfte reduzieren. Außerdem können Entspannungstechniken eingesetzt werden, da Stress die Symptome verstärken kann. „Psychische Faktoren sind jedoch nicht für die Entstehung eines Morbus Crohn verantwortlich“, betont Prof. Dr. Schiefke.

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