Professor Dr. Joachim Beige im Interview

März 07, 2016
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Bluthochdruck – wenn der Druck in den Gefäßen zu hoch ist

Bis zu 35 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Bluthochdruck (Hypertonie). Davon sind etwa zehn Prozent schwere Hypertoniker, allein in Leipzig gehen die Mediziner von rund 2.500 Betroffenen aus. Professor Dr. Joachim Beige erklärt, welche Ursachen es gibt und wie Bluthochdruck behandelt wird.

Herr Professor Beige, als erstes Krankenhaus in den neuen Bundesländern hat das Klinikum St. Georg 2012 einen Bluthochdruckschrittmacher eingesetzt. Wie funktioniert das kleine Gerät?
Die Gefäßchirurgen unseres Klinikums platzieren den Schrittmacher in einem kleinen chirurgischen Eingriff unter dem Schlüsselbein und verbinden diesen mit einer Elektrode an den Halsschlagadern. Das Gerät sendet elektrische Signale an Nervenzellen, die dort den Blutdruck „messen“. Diese sogenannten Barorzeptoren signalisieren unter dem Einfluss der Stimulation dem Gehirn, dass der Blutdruck zu hoch ist. So reguliert der Körper von sich aus den Druck herunter. Das Ergebnis ist beeindruckend. Der Schrittmacher senkt den Blutdruck um 50 bis 80 mmHg. In den vergangenen drei Jahren haben wir das Gerät bei 40 Personen eingesetzt, um den Blutdruck bei schwer einstellbarer Hypertonie zu behandeln.

Joachim BeigeWarum setzen Sie das Verfahren so zögerlich ein?
Wir gehen mit dem teuren und operativen System verantwortungsbewusst um. Für die Behandlung kommen lediglich Patienten infrage, die einen Blutdruck von deutlich über 140/90 mmHg haben und mindestens drei verschiedene blutdrucksenkende Mittel gleichzeitig einnehmen. In den meisten Fällen haben die Betroffenen bereits mehrere Medikamente erhalten und trotzdem haben sich die Werte nicht normalisiert. Zudem wird der Schrittmacher nur eingesetzt, wenn keine andere behebbare Ursache für die erhöhten Blutdruckwerte zu finden ist. Bei über der Hälfte der uns vorgestellten Patienten finden wir Möglichkeiten, den Blutdruck auch anders einzustellen. Wie hoch sollten die Werte sein? Ein Blutdruck von 120/80 mmHg ist normal. Optimal sind niedrigere Werte. Liegen die Werte etwas drüber, kommt es zuerst  darauf an, eine gesunde Lebensweise zu erreichen.

Warum ist der Bluthochdruck gefährlich?
Der Hochdruck greift das Herz, die Nieren, das Gehirn und die Gefäße am Augenhintergrund an. Nicht selten kommt es zur Vergrößerung des Herzens, zu Gefäßverkalkungen, zu einer Nierenfunktionsstörung oder zum Schlaganfall. Das Problem ist, dass der erhöhte Blutdruck lange Zeit unentdeckt bleibt, weil er anfangs keine Beschwerden verursacht. Erfolgt schließlich die Diagnose, liegen häufig die beschriebenen Organschäden vor, die dann für uns ein zusätzliches Argument für die  Spezialtherapie sind.

Wie viele Patienten behandeln Sie jährlich?
Erstdiagnose und Betreuung bei Hypertonie erfolgen in der Regel beim Hausarzt. Er stellt die Medikation ein und kontrolliert regelmäßig den Blutdruck. Lässt sich der Hochdruck allerdings nicht senken, kommen die Patienten zu uns. Rund  200 schwer einstellbare Hypertoniker stellen sich pro Jahr im Nierenzentrum am St. Georg vor. Im Vordergrund steht dann die Ursachenforschung.

Welche Formen unterscheiden Mediziner?
In den wenigsten Fällen – nur bei fünf Prozent – steckt eine identifizierbare Erkrankung hinter dem Bluthochdruck. Dann spricht man von sekundären Hochdruckformen. Bei 95 Prozent der Bluthochdruckpatienten ist dagegen kein spezieller  Auslöser zu finden – primäre oder „essenzielle“ Hypertonie. Zuerst geht es darum, seine Lebenseinstellung zu ändern, also sich mehr zu bewegen, gesünder zu essen und Stress durch Entspannung auszugleichen. Auch Rauchen, übermäßiger  Alkoholkonsum und zu hoher Salzverbrauch gehören zu den Risikofaktoren und sollten vermieden werden. Fruchtet das nicht, folgen medikamentöse und eben spezielle apparative Therapien.

Was sind die Ursachen für die sekundären Formen der Hypertonie?
Am häufigsten sind nächtliche Atemaussetzer, die allerdings mit der richtigen Therapie – nächtliche Überdruckbeatmung mit Maske – behandelt werden können. Nicht selten ist eine sekundäre Hypertonie hormonell bedingt. Dabei übersehen Hausärzte manchmal den Hyperaldosteronismus. Bei dieser Überfunktion der Nebennierenrinde wird vermehrt Aldosteron produziert. Das Hormon steuert den Blutdruck. Behandelt wird die Erkrankung medikamentös oder durch die operative Entfernung der Nebennierenrinde. Seltener tritt das Phäochromozytom auf. Dabei handelt es sich um einen Tumor im Nebennierenmark, der Stresshormone produziert. die zu Bluthochdruckattacken führen. Dieser muss vollständig operativ entfernt werden. Auch Hochdruck, der auf einer Erkrankung des Nierengewebes oder der Nierengefäße beruht, zählt zur sekundären Hypertonie. Das ist zum Beispiel bei einer Nierenarterienverengung der Fall.

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