Professor Dr. Wolfgang Beuche im Interview

Wenn das Gedächtnis versagt

Die Alzheimer-Erkrankung ist mit nahezu 60 Prozent die häufigste Form der Demenz. Aktuellen Schätzungen zufolge werden im Jahr 2030 allein in Deutschland rund zwei Millionen Alzheimer-Patienten leben. Doch noch immer stellt diese neurodegenerative Erkrankung Ärzte und Forscher vor viele Rätsel. Professor Dr. Wolfgang Beuche, Chefarzt der Klinik für Neurologie im Klinikum St. Georg, spricht im Interview unter anderem über den Krankheitsverlauf und die Diagnosemöglichkeiten.

picture-LEFT---Beuche_St_Georg_2013_389Herr Professor Dr. Beuche, was sind die typischen Symptome einer Alzheimer-Demenz?

 Tatsächlich treten die ersten demenztypischen Veränderungen im Gehirngewebe bereits im mittleren Erwachsenenalter auf, lange bevor erste klinische Symptome sichtbar werden, und sie nehmen mit steigendem Alter stetig zu. Zur Demenz selbst kommt es dann erst, wenn ein großer Teil der Gehirnzellen bereits zerstört ist, das ist durchschnittlich ab dem 60. bis 70. Lebensjahr der Fall. Von dem privaten Umfeld wird die Demenz meist erst dann wahrgenommen, wenn die kognitiven Fähigkeiten zunehmend verloren gehen. Im Verlauf kommt es neben den Merkfähigkeitsstörungen auch zu Bewegungs- und Sprachanomalien. Der Betroffene kann irgendwann einfachste alltägliche Tätigkeiten nicht mehr ausführen, weil er beispielsweise nicht mehr weiß, was ein Rasierapparat ist und wie beziehungsweise wofür dieser benutzt wird. In diesem letzten Stadium sind Betroffene dann stark pflegebedürftig. Eine häufige Begleiterscheinung der Vergesslichkeit ist irrationales Denken. Alzheimer-Patienten vergessen, wo sie etwas hingelegt haben, und vermuten dann, dass Angehörige oder andere Personen in ihrer Wohnung „geschnüffelt“ haben, weil sie es nicht oder an einem anderen Ort wiederfinden.

Wie wird die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert? 

Eine einwandfreie Diagnose ist zu Lebzeiten schwierig und so gesehen erst nach dem Tod mit dem pathologischen Befund möglich. Generell geht es in der Diagnose eher darum, andere mögliche Ursachen, die dieselben Symptome hervorrufen können, auszuschließen. Hierfür kommen beispielsweise die Computer- oder Positronen-Emissions-Tomografie zum Einsatz, die sichtbar machen, welche Regionen des Gehirns Anomalien aufzeigen. Auch eine Lumbalpunktion, bei der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit entnommen und chemisch untersucht wird, ist möglich. Neben den technischen und bildgebenden Diagnoseverfahren gibt es einige einfache psychometrische Testverfahren, die relativ schnell Aufschluss geben.

Können Sie diese Testverfahren näher erläutern?

Ich wende sehr gern den standardisierten MOCA-Test an. Hierfür müssen Patienten unterschiedliche Fragen beantworten beziehungsweise kleine Aufgaben lösen, beispielsweise einen Würfel nachzeichnen, Tiere benennen, sich bestimmte Wörter merken und einfache Rechenaufgaben lösen. Schon die Herangehensweise an bestimmte Aufgaben gibt hier Aufschluss über mögliche Demenz-Erkrankungen. Weiterhin gibt es den Uhrentest. Das Uhrenlesen ist ein relativ komplexer Vorgang, den der Mensch lernen muss und der bei einer Demenz früh abhandenkommt.

Wie kann eine diagnostizierte Alzheimer-Erkrankung behandelt werden?Fotolia_104297323_Subscription_Monthly_XXL-2

Trotz jahrelanger Forschung auf dem Gebiet gibt es keine Behandlungsmethode, die die Krankheit heilen oder verlangsamen könnte, da beim Auftreten der ersten Symptome bereits ein Großteil der Gehirnzellen irreversibel geschädigt ist. Man müsste also sehr früh in den Krankheitsprozess eingreifen, um zu verhindern, dass die charakteristischen Eiweißablagerungen innerhalb der Nervenzellen und im Gehirn, die sich zu Plaques verklumpen, entstehen. Das ist wiederum schwierig, da der Betroffene die Veränderungen nicht wahrnimmt. Deswegen können wir in der Regel nur die mit Alzheimer auftretenden Begleiterscheinungen medikamentös behandeln und versuchen, die verbleibende Lebensqualität dadurch möglichst lange aufrechtzuerhalten.

Was passiert nach der Diagnose?

Der stationäre Aufenthalt ist, sofern keine anderen Erkrankungen vorliegen und hinsichtlich der nicht vorhandenen Heilungschancen, keine Option. Letztlich entscheiden die Angehörigen über den weiteren Fortgang. Wird eine Pflege zu Hause in der Familie ausgeschlossen, dann unterstützt unser Sozialdienst die Angehörigen bei der Überleitung in ein Pflegeheim.