Chefärztin Dipl.-Med. Maria Nollau im Interview
Psychische Erkrankungen optimal behandeln
Im Verbund Gemeindenahe Psychiatrie in Leipzig werden Betroffene mit chronischen oder akuten psychischen Erkrankungen innerhalb der drei Betreuungsebenen Psychiatrische Institutsambulanz, Tagesklinik und Sozialpsychiatrischer Dienst versorgt. Im Interview erklärt Frau Maria Nollau, Chefärztin des Verbundes, worin der Vorteil liegt und welche Therapieinhalte es gibt.
Worin liegt der Vorteil des Verbunds Gemeindenahe Psychiatrie?
Der Vorteil des Verbunds liegt ganz klar in der Verknüpfung und Zusammenarbeit der drei Betreuungsebenen Psychiatrische Institutsambulanz, Tagesklinik und Sozialpsychiatrischer Dienst. Die Abstimmungswege sind kurz und die Patienten können in mehreren Ebenen parallel betreut werden oder je nach Bedarf von einer Ebene auf eine andere verwiesen werden.
Woraus besteht das Therapiekonzept?
Die psychiatrische Institutsambulanz ist für die Diagnoseerstellung, psychiatrisch- medikamentöse Behandlung und Gespräche sowie eine erweiterte Behandlung durch Gruppenergo- und Bewegungstherapie konzipiert. In der Tagesklinik ist die Grundlage für das therapeutische Handeln eine Verbindung aus medikamentösen, psychotherapeutischen und soziotherapeutischen Strategien. Jeder Patient erhält zu Beginn einen Therapieplan, der verbindlich für die Behandlungsdauer ist. Die Therapie ist als Gruppentherapie gestaltet, weil sie mit ihren sozialen Beziehungen ein Abbild der Realität darstellt. Die emotionale Ebene wird zum Beispiel besonders in der Musiktherapie angesprochen und auf nonverbaler Ebene ist die Kommunikative Bewegungstherapie besonders hervorzuheben. In Gruppengesprächen werden die so gemachten Wahrnehmungen vertieft und verdeutlicht. Es stehen aber auch Bestandteile der Aktivierung und Motivation zur Freizeitgestaltung auf dem Plan, dazu gehören beispielsweise Spaziergänge oder Museumsbesuche. Unser Sozialpsychiatrischer Dienst ist erster Ansprechpartner und Koordinator vor allem bei sozialen Problemen im Zusammenhang mit der Erkrankung.
Worin liegt der Vorteil einer Tagesklinik?
Die Patienten verlieren nicht ihr soziales Umfeld, weil sie abends und das Wochenende über zu Hause sind. Es gibt immer wieder Betroffene, die durch einen Klinikaufenthalt den Verlust ihrer Autonomie befürchten. In der Tagesklinik verbringt der Patient geregelte acht Stunden am Tag und geht danach, wie nach einem Arbeitstag, in sein gewohntes Umfeld zurück. Ein weiterer Vorteil ist, dass es in der Regel für die Betroffenen weniger Überwindung kostet, sich in eine Tagesklinik zu begeben als in eine stationäre Klinik.
Wie lang ist eine Behandlungsdauer in der Regel?
Die exakte Behandlungszeit richtet sich nach der individuellen Symptomatik und fällt demnach je nach Schwere und Art der Erkrankung unterschiedlich aus. Aber in der Regel findet nach einer 14-tägigen Orientierungsphase eine Behandlungszeit von vier bis zehn Wochen statt.
Welche Erkrankungen treten am häufigsten auf?
Am häufigsten behandeln wir Patienten mit Depression, Angst- oder Anpassungsstörung und psychotischen Störungen, sowohl als akute als auch chronische Erkrankungen.
Ein Schwerpunkt Ihres Behandlungskonzeptes ist die Physio- bzw. Bewegungstherapie. Warum?
Psychische Probleme spiegeln sich auch im Körper wider. Beispielsweise Patienten, die an einer Depression leiden, sind häufig inaktiv oder sehr unruhig. Das zieht Probleme nach sich. Der Betroffene ist nicht mehr belastbar und die Muskulatur kann sich zurückbilden. Wir versuchen, Zugang zu dem Menschen durch Bewegung und eine positive Wahrnehmung des eigenen Körpers zu schaffen. So hat Laufen eine antidepressive Wirkung. Wenn die Betroffenen merken, dass
der Körper wieder funktioniert und sie sich selber spüren, ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Wie können sich Betroffene an Sie wenden?
Die Anmeldung zur Tagesklinik erfolgt entweder über den Haus- oder Nervenarzt oder Psychologen mit Einweisungsschein bzw. unsere Institutsambulanz nach telefonischer Anfrage. Die Institutsambulanz ist aber direkt zugänglich, ohne Überweisungsschein. Dabei ist zu beachten, dass wir sektorisiert arbeiten, d. h. stadtteilbezogen. Damit sind kurze Wege gewährleistet. Gleiches gilt für den Sozialpsychiatrischen Dienst, an den sich jeder Bürger wenden kann, wenn er ersten Rat im Umgang mit psychosozialen Problemen sucht. Dafür besteht außerdem die
Möglichkeit, über unser Leipziger Krisentelefon (Tel.-Nr. 0341 99990000) anonym mit uns Kontakt aufzunehmen.
Sind psychische Störungen heute in der Gesellschaft anerkannter?
Vereinzelt ist das Thema noch tabu, aber es ist schon auffällig, dass vermehrt die Betroffenen selbst den Rat und die Hilfe suchen. Die Aufklärung über die ganze Thematik ist intensiver geworden und die Menschen haben nicht mehr so große Scheu, sich Hilfe zu suchen.