Wenn Schwitzen zur Belastung wird
Schwitzen ist eine natürliche, gesunde und lebenswichtige Funktion des Körpers, um sich vor Überhitzung zu schützen. Schweiß hilft dem Körper, Temperaturunterschiede auszugleichen und übermäßige Wärme von innen nach außen abzuleiten. Etwa ein bis zwei Prozent der Deutschen leiden aber an einer Hyperhidrose – einer Schwitzerkrankheit, die auf eine Fehlregulation des sympathischen Nervensystems zurückzuführen ist und über das natürliche Schwitzen hinausgeht.
Fast überall auf der Haut befinden sich Schweißdrüsen, die meisten von ihnen an den Handinnenflächen, den Fußsohlen und den Achselhöhlen. „Wir schwitzen, wenn wir uns in belastenden oder bedrohlichen Situationen befinden. Dann schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus und die Nerven, die die Schweißproduktion steuern, werden überaktiv“, erklärt Dr. Axel Skuballa, Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie am Klinikum St. Georg. Körperliche Anstrengung, Essen, das den Stoffwechsel und damit die Wärmeproduktion ankurbelt, Prüfungen und heftige Emotionen fördern die Schweißproduktion. Der salzhaltige Schweiß auf der Hautoberfläche verdunstet und sorgt damit für Abkühlung. In diesem sind Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium und körpereigene Abwehrstoffe enthalten – das bedeutet aber auch, dass Menschen, die stark schwitzen, den Verlust an Flüssigkeit durch viel trinken wieder ausgleichen müssen.
Das vegetative Nervensystem regelt, wann und in welchem Maß die Schweißdrüsen aktiv werden. Im Hypothalamus oder Zwischenhirn befindet sich das Zentrum des vegetativen Nervensystems in unmittelbarer Nachbarschaft des Zentrums für die Regelung der Körpertemperatur. Die Funktionen beider Zentren sind eng miteinander verknüpft. Dies erklärt sich beispielsweise durch die Tatsache, dass im Sommer die Verdunstungskälte durch verstärktes Schwitzen zum „Herunterkühlen“ der Körpertemperatur genutzt wird. Dies stellt eine normale physiologische Funktion des menschlichen Körpers dar. „Die sympathischen Nervenfasern regulieren vor Ort unmittelbar die Schweißproduktion in den ekkrinen Drüsen, die gehäuft in der Achselhöhle, an den Händen und Füßen vorkommen. Der produzierte Schweiß hat eine Konsistenz wie Wasser, im Gegensatz zu den apokrinen Drüsen, die auch als Duftdrüsen bezeichnet werden und für den individuellen Körpergeruch verantwortlich sind“, erläutert der Experte.
Bei einer Behandlung der übermäßigen Schweißproduktion wird zwischen einer sekundären und einer primären Hyperhidrose unterschieden. Sekundäre Formen der Schwitzerkrankheit sind an erster Stelle eine unbehandelte Schilddrüsenüberfunktion, sehr selten auftretende spezielle hormonabsondernde Tumore, direkte Verletzungen der Sympathikusnerven des vegetativen Nervensystems sowie psychische Störungen wie beispielsweise Angstsyndrome. Meistens verschwinden die Symptome wieder, sobald die Grunderkrankung behandelt wird. „Handelt es sich dagegen um eine echte Hyperhidrose, sollten zunächst alle konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft werden. Ansprechpartner ist in einem ersten Schritt der Hautarzt. Da das extreme Schwitzen für die Betroffenen sehr belastend ist, sollte keine Scheu bestehen, diesen auch aufzusuchen. Vor allem der Kontakt mit anderen ist unangenehm. Diese Situationen werden dann infolgedessen häufig gemieden und der Betroffene zieht sich mehr und mehr zurück“, betont Dr. Axel Skuballa.
Erste Behandlungsschritte bestehen in der Anwendung von schweißhemmenden, aluminiumchloridhaltigen Sprays, Salben und Emulsionen. Bei Hyperhidrose der Hände und Füße können auch Gleichstrombäder (Iontophorese) zu einer Besserung der Symp-
tomatik führen. Voraussetzung ist aber eine regelmäßige Durchführung der Therapie. Eine lokale Beeinflussung des sympathischen Nervensystems kann auch durch das Einspritzen von Botulinustoxin (Botox) in das Unterhautfettgewebe erfolgen. Das stark verdünnte Nervengift blockiert die Nervenleitungen, sodass die Schweiß-
produktion gestoppt wird. Die Wirkung hält sechs bis neun Monate an. Die Kosten dafür müssen die Patienten in der Regel selbst tragen.
Häufig sind die Patienten in einer psychischen Ausnahmesituation. In einem vertrauensvollen Gespräch mit dem behandelnden Hautarzt wird geklärt, welche Therapie infrage kommt. „Verschaffen alle konservativen Maßnahmen keine Linderung, kann eine endoskopische transthorakale Sympathikusblockade (ESB) helfen, wie sie im Klinikum St. Georg seit vielen Jahren durchgeführt wird. Dabei werden sympathische Nervenstränge im Brustkorb entsprechend ihrem Versorgungsgebiet – Hände und Achselhöhle – operativ freigelegt und durch Titan-Clips inaktiviert. Dank der Schlüssellochchirurgie bleibt nur eine kleine Narbe zurück. Die Langzeiterfolgsquote bei Patienten mit Schwitzerkrankheit ist mit 95 bis 98 Prozent sehr hoch und kann durch kein anderes Therapieverfahren erreicht werden“, weiß der Mediziner.