Tinnitus – Dieb der Stille

April 01, 2015
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Pfeifen, Rauschen, Klingeln, Brummen oder Summen: Störende Ohrgeräusche kennt fast jeder. Der sogenannte Tinnitus ist in den meisten Fällen nach kurzer Zeit wieder verschwunden. Bei etwa drei Millionen Menschen bleiben die Töne jedoch dauerhaft.

Tinnitus kommt von dem lateinischen Wort tinniere und steht für „klingeln“. Bei dieser Störung des Hörsystems nehmen die Betroffenen ein Geräusch wahr, für das es keine äußere Schallquelle gibt. Dabei kann der Ton sowohl dauernd als auch nur zu gewissen Zeiten auftreten. „Der Tinnitus hat seinen Beginn häufig im Ohr und manifestiert sich später als abnormale Aktivität von Nervenzellen im Gehirn, er zentralisiert“, erläutert Dr. Linda Hubatsch von der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde am Klinikum St. Georg. „In vielen Fällen geht er mit einem Hörschaden einher.“

Die Ohrgeräusche sind keine eigene Krankheit, sondern ein Symptom. Das heißt, der Körper reagiert auf eine andere Erkrankung. Daher sind die Ursachen sehr vielfältig. Verschließt beispielsweise ein Fremdkörper oder zu viel Ohrenschmalz den Gehörgang, können die lästigen Töne die Folge sein. Auch ein Mittelohrerguss oder eine Entzündung im Ohr kommen als Auslöser in Frage.

Vielfach wird der Tinnitus auf Erkrankungen des Gehörs zurückgeführt, wie sie beispielsweise durch Lärm, einen Hörsturz (plötzlicher, meist einseitiger Hörverlust) oder im Alter entstehen. Zudem können Probleme an der Halswirbelsäule oder Störungen im Kiefergelenk einen Tinnitus auslösen. Darüber hinaus stecken häufig auch psychische Probleme wie körperlicher oder seelischer Stress dahinter.

Screenshot 2015-03-30 15.38.29Werden die Ursachen diagnostiziert und erfolgreich behandelt, stehen die Chancen oft gut, dass damit auch das nervende Klingeln oder Brummen wieder verschwindet. Ein Tinnitus mit unbekanntem Auslöser ist dagegen nicht leicht zu behandeln, wodurch sich in den letzten Jahren leider auch eine Reihe an Therapien mit fehlender wissenschaftlicher Fundierung entwickelt haben.

Bei der Behandlung unterscheiden die Mediziner zwischen akutem und chronischem Tinnitus. Die Grenze liegt bei drei Monaten: Halten die Ohrgeräusche bereits länger an, sprechen die Ärzte von der chronischen Form. Entscheidend für die Heilungschancen ist eine frühzeitige Behandlung. „Wer Ohrgeräusche bei sich wahrnimmt, die durchgängig länger als 24 Stunden anhalten, sollte nicht zögern einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufzusuchen“, rät Dr. Linda Hubatsch. „Nach einem ausführlichen Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung mit komplettem HNO-Status. Anschließend wird ein Hörtest mit gleichzeitiger Bestimmung der Tinnituslautstärke und -frequenz durchgeführt.“ Den Grad der Belastung durch den Tinnitus kann der HNO-Arzt beispielsweise mithilfe spezieller Fragebögen erfassen. Dieser ist individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während viele Patienten gut mit ihrem Ohrgeräusch leben und umgehen können, sind einige stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Bei massivem Leidensdruck ist das Vorliegen weiterer neben dem Tinnitus bestehender Erkrankungen, wie Schlafstörungen bis hin zur Depression, wahrscheinlich.

Je nach Bedarf erfolgt anschließend eine Überweisung an andere Fachärzte. So muss zum Beispiel bei Problemen durch Zähneknirschen oder Gebissfehlstellungen ein Zahnarzt beziehungsweise ein Kieferorthopäde den Betroffenen weiterbehandeln. Hat der Patient dagegen Probleme im Bereich der Halswirbelsäule, wird der HNO-Arzt ihn an einen Orthopäden überweisen.
Im akuten Fall haben sich Infusionen mit durchblutungsfördernden Medikamenten (z. B. Pentoxifyllin) bewährt. Bei starker Ausprägung des Ohrgeräusches ist zudem der Einsatz von Prednisolon nach bestimmten Schemata möglich. Empfohlen wird zusätzlich allen Patienten, Stressfaktoren sowie übermäßigen Lärm zu vermeiden und sich aktiv zu entspannen, zum Beispiel mit Yoga und autogenem Training. Bei chronischem Tinnitus sollten die Betroffenen Stille meiden und sich mit angenehmen Tönen umgeben. So können leise Musik oder das Wasserplätschern eines Zimmerspringbrunnens die Ohrgeräusche überdecken. Auch Bewegung und Sport können Patienten helfen, sich abzulenken. In Selbsthilfegruppen tauschen sich Betroffene mit anderen aus und erhalten nützliche Tipps, um den Tinnitus in den Griff zu bekommen.

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