Wenn Schmerzen die Lebensfreude rauben

Der Rücken zwickt, der Schädel brummt, die Gelenke ziehen – jeder Mensch hatte in seinem Leben schon einmal Schmerzen, mal stärkere und mal schwächere. Meist können sich Betroffene damit trösten, dass die Schmerzen bald wieder vergehen. Doch das ist nicht immer der Fall. Rund 14 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen. Ihr Schmerz hat sich zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt.

„Wenn Patienten über mehrere Monate oder gar Jahre unter permanent starken Schmerzen leiden, rutschen sie schnell in eine Abwärtsspirale“, weiß Dr. Carsten Funke, Leitender Oberarzt des Schmerzzentrums am Klinikum St. Georg. Denn der Schmerz beeinflusst das gesamte gesellschaftliche und soziale Leben. Eine Krankschreibung jagt die nächste, der Beruf kann nicht mehr ausgeübt werden – Kollegen oder Chefs reagieren mit Unverständnis, denn die Arbeit muss trotzdem erledigt werden. Finanzielle Sorgen sind die Folge, denn Anspruch auf Krankengeld haben Arbeitnehmer bei derselben Krankheit maximal über 78 Wochen hinweg. Für die meisten bleibt anschließend nur die staatliche Unterstützung. Auch das Privatleben leidet. Betroffene isolieren sich zunehmend, da ihnen der Schmerz die Freude an sozialen Aktivitäten mit Familie und Freunden raubt.

„Betroffene sollten aus dem Teufelskreis ausbrechen, bevor der Schmerz das Leben komplett kontrolliert“, appelliert der Oberarzt. „Nichts ist schlimmer, als zu resignieren und sich seinem vermeintlichen Schicksal zu ergeben. Im Schmerzzentrum helfen wir den Patienten, aktiv zu werden und wieder am Leben teilzuhaben.“ Im Vordergrund steht nicht, die Schmerzen zu beseitigen, sondern den Alltag wieder in den Griff zu bekommen und selbstbestimmt gestalten zu können.

Das Schmerzzentrum am Klinikum St. Georg basiert auf drei Säulen: Ambulanz, Station und Tagesklinik. Die Ambulanz ist erste Anlaufstelle für Patienten mit akuten oder chronischen Schmerzen. Hier werden die akuten Symptome sofort medikamentös behandelt.
Leiden die Patienten bereits seit längerer Zeit unter Schmerzen, wird in der Ambulanz abgeklärt, ob es sich um chronische Schmerzen handelt und welche Behandlungsoptionen es gibt. „Zu unseren Behandlungsschwerpunkten zählen chronische Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen sowie chronische Schmerzen des Bewegungsapparates. Aber auch Tumorschmerzen, Neuralgien und Schmerzen bei Durchblutungsstörungen werden hier umfassend behandelt“, erklärt Dr. Carsten Funke und fügt hinzu: „Wir untersuchen alle Patienten ausführlich und raten ihnen gegebenenfalls zu einer Behandlung in unserer Tagesklinik oder veranlassen eine stationäre Aufnahme.“

Ob ambulant, teilstationär oder stationär – die gezielte und spezifische Behandlung chronischer Schmerzen führt bei den meisten Patienten kurz- bis mittelfristig zu einer deutlichen Schmerzreduktion und gibt Betroffenen ihre Lebensfreude zurück. Der Vorteil der tagesklinischen Behandlung ist, dass die Patienten abends und am Wochenende zu Hause sind. Sie finden schneller wieder in den Tagesrhythmus, da die Struktur dem Alltag ähnelt. Vo- raussetzung ist, dass die Schmerzgeplagten selbstständig in die Tagesklinik kommen können, der Anfahrtsweg sollte nicht länger als 30 Kilometer sein. „Alle Schmerzbetroffenen, die weiter weg wohnen, sowie ältere, geschwächte oder medikamentenabhängige Patienten behandeln wir stationär“, so der Oberarzt.

Die Therapie in der Tagesklinik erfolgt in kleinen Gruppen über vier Wochen am Stück. Die Behandlung wird auf die jeweilige Person abgestimmt und deckt verschiedene Bereiche ab. Die Sporttherapie zielt beispielsweise darauf ab, wieder Vertrauen in den Körper zu finden und die eigenen Grenzen auszuloten. Mit speziellen Kraftübungen wird die Kondition aufgebaut und Gymnastik hilft dabei, die kleinen Muskelgruppen zu trainieren.

„Aus ärztlicher Sicht untersuchen wir vor Ort zum Beispiel, ob Begleiterkrankungen bestehen und eine medikamentöse Behandlung notwendig ist“, erklärt Dr. Carsten Funke. Teil der Therapie sind zudem ein schmerzpsychologischer Ansatz, Verhaltens- und Alltagstraining sowie Entspannungsübungen. Ausschlaggebend ist die Vernetzung der verschiedenen Maßnahmen, da bei chronischen Schmerzen körperliche, psychische und soziale Faktoren ineinander übergehen. Nur durch die ganzheitliche Herangehensweise kann den Patienten ein Stück Lebensqualität zurückgegeben werden.

„Ziel der vierwöchigen Behandlung ist nicht die komplette Schmerzfreiheit, sondern dass die Patienten lernen, trotz ihrer Schmerzen aktiv am alltäglichen Leben teilzunehmen. Bei fast allen reduziert sich der Schmerz aufgrund der multimodalen Therapie auf ein erträgliches Maß“, resümiert der Spezialist Dr. Carsten Funke.

Schmerz ist nicht gleich Schmerz

Mediziner unterscheiden Schmerzen nicht nur nach den Ursachen, sondern auch nach den Mechanismen, die bei der Entstehung des Schmerzes eine Rolle spielen. Entsprechend individuell wird die Behandlung ausgerichtet. Zu den häufigsten Schmerzformen zählen: