Infektionen, die infolge einer schweren Verletzung oder nach einer Operation auftreten, bedürfen einer schnellen Behandlung in spezialisierten Zentren. Trotz innovativer Technik und der Einhaltung strenger Hygienerichtlinien lassen sich Infektionen infolge von Operationen nicht immer vermeiden. Privatdozent Dr. med. habil. Jörg Böhme, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Spezialisierte Septische Chirurgie, erklärt im Interview, warum schnell gehandelt werden muss und welche verschiedenen Behandlungsoptionen es gibt.
Herr Dr. Böhme, wann genau kommt die septische Chirurgie zum Einsatz?
Die septische Chirurgie in Orthopädie und Unfallchirurgie kommt bei allen Infekten an Knochen, Weichteilen und Gelenken zum Einsatz – sprich: bei allen Infektionen, die den Halteapparat betreffen.
Gibt es typische Symptome für derartige Infektionen?
Fünf Symptome weisen auf eine Infektion hin: Rötung, Schwellung, Erwärmung, Schmerzen sowie ein zunehmendes Funktionsdefizit. Treten einige dieser Symptome oder alle in Kombination auf, sollte schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden. Problematisch wird es, wenn diese klassischen Entzündungszeichen nicht auftreten und Betroffene die Infektionen zunächst gar nicht wahrnehmen. Das passiert vor allem häufig bei einliegenden künstlichen Gelenken. Wir bezeichnen diese als Low-Grade-Infekte. Chronische Gelenkschmerzen, Gelenkinstabilität und eine frühzeitige Lockerung der Endoprothese können die Folge sein.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Das ist abhängig von der Lokalisation und dem Schweregrad der Infektion. Bei Infektion der Weichteile versuchen wir immer erst, sofern diese noch nicht zu weit fortgeschritten ist, alle konservativen – das heißt nicht operativen – Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Ganz wichtig ist dabei, die entsprechende Extremität zu schonen. Der betroffene Körperteil sollte hochgelagert und gekühlt werden. Unterstützend kommt eine Antibiotikatherapie zum Einsatz, um die Bakterien zu bekämpfen.
Um Infektionen des Knochens und der Gelenke zu erkennen, ist eine umfangreiche Diagnostik vonnöten. Neben bildgebenden Verfahren wie Röntgen, CT oder MRT ist die Punktion zum Nachweis der Erreger eine wichtige Voraussetzung, die richtige Therapie zu beginnen. Oft reicht eine Behandlung mit Antibiotika aus. Wird die Infektion jedoch zu spät erkannt oder reicht eine medikamentöse Therapie nicht aus, muss operiert werden. Die Infektion einer Endoprothese stellt eine besondere Herausforderung dar. Denn nach circa drei Wochen bilden die Bakterien einen Biofilm, der sich auf den Gelenkeinsatz legt und resistent gegen Antibiotika ist. Dann hilft nur noch eine operative Behandlung.
Wie sieht diese aus?
Im Falle von künstlich eingesetzten Gelenken müssen diese meist operativ entfernt und für maximal sechs Wochen durch einen antibiotikahaltigen Platzhalter ersetzt werden. Diese Platzhaltersysteme können entweder versteifend sein oder aber eine Gelenkbewegung zulassen – was zum Einsatz kommt, wird bei jedem Patienten individuell entschieden. Zusätzlich erhält der Betroffene eine Antibiotikatherapie. Frühestens nach vier bis sechs Wochen kann dann eine neue Endoprothese eingesetzt werden.
Warum bedarf es der Behandlung in einem spezialisierten Zentrum?
Infektionen sind je nach Lokalität und Ausmaß sehr vielseitig und müssen entsprechend umfassend behandelt werden. Spezialisierte Septische Zentren wie das am Klinikum St. Georg sind sowohl personell als auch baulich auf solche Fälle vorbereitet. So verfügen wir zum Beispiel über spezielle Schleusensysteme, um den Patienten entsprechend zu isolieren. Zudem gibt es speziell ausgebildetes Pflegepersonal und Ärzte für infektiöse Patienten. Ein weiterer wichtiger Fakt ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Am Klinikum St. Georg sind beispielsweise immer Orthopäden, Unfallchirurgen und Infektiologen vor Ort, die sich gemeinsam beraten und einen auf jeden Patienten individuell abgestimmten Behandlungsplan erstellen. Sofern Bedarf besteht, können zudem schnell und unkompliziert Spezialisten weiterer Fachrichtungen, wie zum Beispiel aus der Plastischen Chirurgie, der Neurochirurgie oder der Radiologie, hinzugerufen werden.
Was passiert, wenn die Infektion nicht früh genug erkannt und behandelt wird?
Dann kann es zu einer Ausbreitung im Körper mit Schädigung verschiedener Organe kommen und in der Endphase sogar zu Multiorganversagen und Tod.
Kann man Infektionen präventiv vorbeugen?
Für Patienten selbst ist die Prävention vor einem Eingriff schwierig. Generell sollte man vor einer geplanten Operation beziehungsweise einem künstlichen Gelenkeinsatz beispielweise Eingriffe an den Zähnen vermeiden. Darauf weisen wir aber in unseren Spezialsprechstunden frühzeitig hin. Viel wichtiger als die Prävention ist die Hygiene am Klinikum. Auf diesem Gebiet sind wir sehr gut aufgestellt, das spiegelt sich in einer sehr niedrigen Infektionsrate von unter einem Prozent wider.