Der Dickdarmkrebs gehört zu der zweithäufigsten Tumorerkrankung bei Männern und Frauen. Neue Operationstechniken ermöglichen einen gewebeschonenden Eingriff, und therapeutische, individuell angepasste Konzepte bereiten den Patienten optimal auf die Operation vor. Wichtig ist eine regelmäßige Vorsorge ab 55 Jahren. Im Interview erklärt Professor Dr. Weimann, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Onkologische Chirurgie im Klinikum St. Georg, welche Ursachen die Tumorerkrankung hat und wie sie behandelt wird.
Herr Professor Dr. Weimann, was versteht man unter Dickdarmkrebs?
Beim Dickdarmkrebs handelt es sich um eine bösartige Wucherung von Zellen der Dickdarmschleimhaut. Der Tumor geht in den meisten Fällen aus sogenannten Darmpolypen hervor.
Gibt es eine Möglichkeit, der Erkrankung vorzubeugen?
Im Allgemeinen gilt der Rat, „möglichst gesund“ zu leben. Das bedeutet, sich vernünftig und ausgewogen zu ernähren, auf Alkohol, Drogen und Zigaretten zu verzichten sowie ausreichend zu schlafen und sich viel zu bewegen. Ansonsten ist die regelmäßige Vorsorge ab 55 Jahren wichtig, bei der eine Darmspiegelung durchgeführt wird. Das gilt für Männer und Frauen. Alle fünf bis zehn Jahre erfolgt dann die nächste Untersuchung.
Ist Dickdarmkrebs vererbbar?
Bestimmte Tumoren des Dickdarms können vererbbar sein. Bei jeder Untersuchung erfolgt eine Familien-Anamnese, das heißt, es wird erfragt, ob in der Familie gehäuft Krebserkrankungen aufgetreten sind. Eine typische vererbte Erkrankung sind unzählige Polypen im Darm („Polyposis“) mit hohem Entartungsrisiko.
Gibt es eine Tendenz, dass Tumorerkrankungen immer häufiger auftreten?
Generell ist in Deutschland die Tendenz, an Dickdarmkrebs zu erkranken, eher rückläufig, aber Tumore im Allgemeinen nehmen zu. Das liegt daran, dass sich unsere Gesellschaft zu einer immer älter werdenden Gesellschaft entwickelt hat. Und da Tumoren eine Frage des Alters sind, treten sie daher auch im fortgeschrittenen Alter häufiger auf.
Wie haben sich die Operationstechniken entwickelt?
In den letzten Jahrzehnten wird vor allem auf eine immer mehr gewebeschonende Operationstechnik geachtet. Dies hat dazu geführt, dass die Operationsverfahren immer weniger invasiv werden und sogar in Schlüssellochtechnik durchgeführt werden können. Manchmal führt dies zu längerer Operationszeit. Diese technischen Möglichkeiten gilt es individuell auf den Patienten anzupassen.
Wie lange ist die Wartezeit bis zur anstehenden Operation?
In der Regel hat der Patient eine Wartezeit von sieben bis zehn Tagen. In einer gemeinsamen onkologischen Konferenz mit allen beteiligten Disziplinen werden die einzelnen Fälle vorgestellt und die Behandlungsschritte festgelegt. Im Anschluss daran wird dies ausführlich mit dem jeweiligen Patienten besprochen. Diese Zeitspanne wird auch genutzt, um den Patienten mental auf die Erkrankung und die anstehende Operation einzustellen. Es kann natürlich auch zu einer längeren Wartezeit kommen, wenn im Vorfeld der Operation noch eine Vorbehandlung mit Chemo- und/oder Strahlentherapie, das heißt eine neoadjuvante Therapie, erforderlich ist.
Wie bereiten Sie den Patienten optimal auf die Operation vor?
Wir arbeiten mit einem therapeutischen Konzept, Fast-Track-Chirurgie (Schnellspur-Chirurgie) oder auch enhanced recovery after surgery (ERAS) genannt. Darunter versteht man die verbesserte Genesung nach einer Operation. Ursprünglich kommt dieses Konzept aus Skandinavien. Wir wenden es seit 16 Jahren an und es hat sich bewährt. Die Idee dahinter ist, den Patienten dazu zu bringen, die anstehende Operation wie einen Wettkampf anzusehen. Ihm zu verdeutlichen, was er als Patient aktiv leisten kann, um ihn rasch zur OP führen zu können und danach schnellstmöglich zu rehabilitieren. Wichtige Voraussetzung ist hierbei eine adäquate Schmerztherapie durch unsere anästhesiologischen Kollegen. Hier fungiert der betreuende Arzt als eine Art Coach. Selbstverständlich muss das Konzept auf jeden Patienten individuell zugeschnitten werden. Es ist natürlich ein Unterschied, ob es sich um einen 45-Jährigen oder einen 85-Jährigen handelt.
Wie geht es danach weiter?
Es hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Früher ist man davon ausgegangen, dass die Wunden, insbesondere neue Verbindungen im Magen-Darm-Trakt, nach einer Operation schlechter heilen, wenn der Patient früh wieder mit der Nahrungsaufnahme und der Bewegung beginnt. Mittlerweile wissen wir aber, dass genau das Gegenteil der Fall ist und dies den Heilungsprozess sogar verbessert und verkürzt. Teilweise dürfen und sollen die Patienten bereits am OP-Tag oder spätestens am Tag danach wieder essen und sich bewegen dürfen. Generell streben wir für den Patienten eine optimale perioperative Therapie an. Hier sind Physiotherapie, Ernährungstherapie und ausführliche Ernährungsberatung unverzichtbar.